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ja mit äußerster Vorsicht abfassen mußte. Immer wieder erhob ich mich und durchschritt unruhig den engen Raum, dessen graugetünchte Wände und vergitterte Fenster mein Denken derart in Fesseln schlugen, daß ich mir notdürftig die einzelnen Worte zusammensuchen mußte.

War es menschlich nicht vollkommen begreiflich, daß ich auch diesem Manne gegenüber, von dem ich nur Gutes erfahren hatte, meine verwerflichen Absichten, die mich zu jener Stunde in sein Heim gelockt hatten, verschwieg und ihm nur dasselbe angab, was ich dem Kommissar gegenüber als Geständnis bezeichnet hatte und das doch nichts als raffiniert ausgeklügelte, von der höchsten Verzweiflung geborene Lügen waren …?! Und war es nicht ebenso verständlich, daß ich meinem Briefe die dringende Bitte zum Schluß hinzufügte, mich hier nicht aufzusuchen, um das Peinvolle meiner Situation nicht noch mehr zu erhöhen?! – An Tante Johanna und Marga fügte ich herzliche Grüße hinzu, mit der Einschränkung – „falls sie überhaupt noch von einem Menschen etwas wissen wollen, den man in Verdacht eines so schweren Verbrechens hat“. Im übrigen unterließ ich jede Phrase, jede Überschwenglichkeit, führte nur in überzeugender Weise aus, daß ich lediglich in der Notwehr gehandelt hätte und daher über kurz oder lang doch freigelassen werden müsste, falls eben nicht der mir sehr ungünstige, unklare Tatbestand Schwierigkeiten heraufbeschwören würde, die meine Lage verschlechterten.

Mehrmals überlas ich den Brief aufs genaueste, nachdem ich ihn beendigt hatte. Ich war zufrieden. Marga mußte daraus die tröstende Gewißheit entnehmen,

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/111&oldid=- (Version vom 1.8.2018)