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Völlig gebrochen kehrte ich von diesem Ausgang zu meinen Verwandten zurück. Gegen Abend schrieb ich Schwechten Antwort und brachte den Brief selbst auf die Post. Ich bat ihn mit Ausdrücken, die einem Stein hätten Erbarmen einflößen müssen, um einen Aufschub und versprach alles zu versuchen, um die verlangte Summe zu besorgen. – Am folgenden Vormittag brach dann das Unglück herein. Als sich gerade Tante und die beiden Mädchen zu dem verabredeten Besuch des Warenhauses fertig machten und daher nicht öffnen konnten, läutete es an der Vordertür. Ahnungslos eilte ich hin, um nachzusehen, wer Einlaß begehrte. Entsetzt prallte ich zurück, als ich Schwechten erkannte. Er ließ sich nicht abweisen. In meiner wahnsinnigen Angst führte ich ihn in Onkels Arbeitszimmer, das ja dicht neben der Korridortür liegt, verbarg ihn hier hinter der Draperie, die eine Ecknische verdeckt, und flüsterte ihm zu, daß ich versuchen würde, unter irgend einem Vorwand zu Hause zu bleiben. Dann könnten wir alles erledigen.

Vielleicht dachte er, daß ich das Geld bereits in meinem Besitz hätte und ihm aushändigen würde. Jedenfalls nahm er meinen Vorschlag an und verhielt sich in seinem Versteck völlig ruhig. Ich aber kehrte in Tantes Ankleidezimmer zurück und erklärte, es sei nur ein Bettler gewesen, der eben geläutet habe. Meine Verstörtheit fiel meiner Verwandten zwar auf, ich wußte mich jedoch geschickt herauszureden, so daß sie keinen Argwohn schöpfte. In meiner Fremdenstube riß ich dann schnell aus meinem Koffer den Revolver heraus, den ich mir erst kürzlich hier in Berlin in der Absicht gekauft hatte,

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/125&oldid=- (Version vom 1.8.2018)