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nötigenfalls die Waffe gegen mich selbst zu richten, – falls eben Schwechten einmal seine Drohungen wahr machen und die Geschehnisse jener Kolberger Zeit verraten würde.

Dann brachen wir auf. Unten an der Haustür eilte ich nochmals zurück, um angeblich mein Handtäschchen zu holen. Tante gab mir ihren Korridorschlüssel und ging inzwischen mit den beiden Mädchen zur nächsten Haltestelle der Elektrischen voraus. Ich war kaum fähig, die Treppen emporzusteigen, in so furchtbarer Erregung befand ich mich. Endlich stand ich Schwechten in Onkels Arbeitszimmer gegenüber, endlich durfte ich ihm all meine Verachtung, all meinen Haß rücksichtslos ins Gesicht schreien. Die Revolvermündung hielt ihn in Schach. Er mochte ahnen, daß seine letzte Stunde geschlagen hatte, verlegte sich jetzt aufs Bitten, schwor mir mit allen möglichen Eiden zu, daß er mir die Briefe und Bilder zurücksenden und nie mehr meinen Weg kreuzen würde.

Ich ließ mich überlisten –. Plötzlich sprang er zu und schlug mir mit der Faust den Revolver aus der erhobenen Hand. Die Waffe prallte hart auf den Boden auf, entlud sich von selbst und die Kugel traf Schwechten, der bei diesem Überfall nach vorne getaumelt war, in die Stirn. Noch ein paar Zuckungen, dann lag er entseelt zu meinen Füßen.

Wie von Furien gejagt stürmte ich davon.

Wie ich jenen Vormittag überstanden habe, wie mein jagendes Herz, mein überreiztes Gehirn den Ansturm all dieser wahnwitzigen Angstanfälle ertragen konnte – ich werde es nie begreifen. Und in dieser Lage, als ich tatsächlich nahe daran war,

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)