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Das war doch einmal eine freudige Überraschung! Also hatten Grunerts mich doch noch nicht ganz vergessen. Die schriftlichen Einladungen waren mir von dieser Seite in letzter Zeit recht spärlich ins Haus geliefert. Onkel hatte mir meine häufigen Anleihen doch wohl etwas verargt und wollte unseren Verkehr daher ein wenig einschränken. Daß Tante Johanna einig und allein diese Einladung durchgesetzt hatte, war für mich zweifellos. Ich kannte ihr gutes Herz. Und mir brachte sie eine geradezu überschwengliche Freundlichkeit entgegen, vielleicht, weil ihr der einzig Sohn in frühen Jahren gestorben war und ein Spiel des Zufalls mir eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Grunertschen Familientyp gegeben hatte.

Außerdem faßte ich diese Gelegenheit, in der Familie der Verwandten den Abend zubringen zu können, aber auch von der praktischen Seite auf. Acht Uhr – das hieß zum Abendessen. Ich sparte also einige Mark, was mir sehr willkommen war. Und dann – Onkel Grunert machte es die größte Freude, wenn er beim Skat, der solche kleinen intimen Gesellschaften zu beschließen pflegte, gewann und mir nachher seinen Gewinn und noch einen Goldfuchs darüber heimlich in die Hand drücken konnte.

Schnell schrieb ich also eine Rohrpostkarte mit einer Zusage und ließ sie durch meine Wirtin auf das nächste Postamt bringen.

Dann zündete ich mir gemächlich eine Zigarre, an, nahm meine Brieftasche hervor und breitete die Schnitzel des Briefen, die ich vormittags so mühsam

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)