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gekommen, damit wir sie aufheitern sollen,“ klagte sie leise. „Alles haben wir versucht, alles … Wir sind mit ihr ins Theater gegangen, in Konzerte, haben ihretwegen auch ein paar Gesellschaften gegeben – der Erfolg gleich Null! Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, bin mit meiner Kunst zu Ende. Heute zum Beispiel war Marga vormittags allein in der Nationalgalerie. Und wie kam sie heim? Völlig erschöpft, blaß wie der Tod. – Einige der Gemälde hätten sie so tief erschüttert, gab sie mir auf meine teilnehmenden Fragen zur Antwort.“

Und nach einer Weile flüsterte sie mir ganz leise und in schmerzlichstem Ton zu:

„Ich bin überzeugt, Fred, daß das Mädchen irgendein geheimer Kummer drückt, daß sie irgend etwas zu verbergen hat, was ihre Seele unausgesetzt foltert. Ich habe sie schon so oft gebeten, sich mir anzuvertrauen, habe mich abends zu ihr auf den Rand ihres Bettes gesetzt und geschmeichelt, gebeten und wieder gebeten. – Nichts – nichts. Ihre Augen blieben trocken. Und doch hörte ich es ihrer Stimme an, in welchem Aufruhr sich in solchen Momenten ihr Inners befand. Mühsam preßte sie die Worte heraus, die meine Zweifel zerstören, mich beruhigen sollten. – Fred, könntest du denn nicht vielleicht bei ihr etwas ausrichten?“ fügte sie zögernd hinzu. „Ich weiß, daß sie dich gern mag, daß sie häufiger von dir spricht, als von all den anderen Herren, die sie hier kennengelernt hat. Marga ist doch ein hübsches Mädchen, dazu noch vermögend. Nähere dich ihr doch … Möglich, daß die Liebe ihr endlich den Mund öffnet.“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/29&oldid=- (Version vom 1.8.2018)