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dem ich mir mit einem Schlage aus meiner bedrängten Situation heraushelfen konnte. Immer weiter spann ich diesen Gedanken aus, - immer weiter.

Als ich den Salon vorsichtshalber, um keinen Verdacht zu erregen, vom Korridor aus wieder betrat[1], sah ich Müller mit Marga in eifrigem Gespräch neben dem Flügel stehen. Und in diesem Augenblick, wo ich merkte, wie verzückt des sonst so kühlen, berechnenden Anwalts Blicke auf Margas liebreizendem Gesicht ruhten, krampfte sich mir das Herz in wilder Eifersucht zusammen. Da fühlte ich zum ersten Male, daß ich dieses rätselhafte Weib liebte, da überkam mich zum ersten Male aufrichtige, bittere Reue über mein verfehltes Leben … Und – hätte ich nur einen Weg gewußt, der mich aus dem Sumpf, in dem ich lebte, herausgeführt haben würde, ich wäre ihn gegangen, und wenn er mir noch so dornenvoll erschienen wäre … Zu spät – zu spät …! Dem verrufenen Spieler, dem, der vor sich selbst schon so tief gesunken war, bot sich nur eine Möglichkeit, um wenigstens scheinbar vor der Welt als … anständiger Mensch weiterbestehen zu können …

Still setzte ich mich in einen der Plüschsessel etwas abseits von den anderen und beteiligte mich nur durch ein gelegentliches, kurzes Ja oder Nein an der allgemeinen Unterhaltung.

Nach einer Weile kam dann Tante Johanna und nahm dicht neben mir auf einem Hocker Platz.

„Fred, sieht Marga heute nicht wirklich vorzüglich aus?“ begann sie leise. „Das Chiffon-Kleid habe ich ihr bei Herpich ausgesucht. Wie gefällt es dir?“


  1. Vorlage: bebetrat
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)