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uneinig, was ich tun sollte. Den Kaffee ließ ich unberührt stehen. Eine sich von Minute zu Minute steigernde Nervosität trieb mich ruhelos im Zimmer umher. Ich versuchte die Morgenzeitung zu lesen, kam aber kaum über den ersten Artikel hinweg. Hätte ich nur weitergeblättert …! Vieles wäre anders geworden …! – Anders – das wohl; aber ob besser, günstiger für meine Zukunft, ist die Frage.

Die kleine Stutzuhr auf dem Kamin, ein letzter Rest der Habe meiner Eltern, schlug zehn. Sinnend stand ich am Fenster und schaute auf die asphaltierte Straße hinab, wo Kinder mit fröhlichem Eifer die kleinen Peitschen handhabten, daß die rollenden bunten Holzkegel weite Sprünge durch die Luft machten. Mein Denken wanderte zurück in meine eigene freudlose Jugend. War ich nicht schon immer ein vom Schicksal Gezeichneter gewesen, ein von den Freuden der Welt Ausgeschlossener?! Warum wehrte ich mich jetzt so sehr dagegen, mich ganz denen anzuschließen, die ihre eigenen, dunklen Wege gingen …? Warum eigentlich …? Etwa weil ich ehrlich bleiben wollte Margas wegen?!

Ich lachte bitter auf. Marga würde in meiner Lebensrechnung nie eine Rolle spielen, durfte es nicht …! – Und dieses Verzichtenmüssen wandelte urplötzlich mein ganzes Wesen. Eine starre Ruhe kam über mich.

Meiner Schreibtischschublade entnahm ich die kleine, scharfgeladene Repetierpistole und schob sie in die Brusttasche meines Jacketts. Lebend sollte man mich nicht fangen, wenn ich entdeckt wurde. – Dann zog ich einen langen Ulster an, den ich sehr selten trug, und drückte mir einen breitrandigen,

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)