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um mir den kleinen, blutigen Fleck an der linken Stirnseite genauer zu betrachten, der mir sofort aufgefallen war. Kein Zweifel, dieser Fleck war nichts anderes als eine Schußwunde. Nur wenige Tropfen Blut bemerkte ich, dafür aber auf der weißen Haut rund um die Wunde einen größeren, strahlenförmigen Kreis schwarzer Pünktchen - ohne Zweifel Pulverteilchen, die der aus nächster Nähe abgefeuerte Schuß in die Haut getrieben hatte.

Ohne Scheu erfaßte ich jetzt die Hand der Leiche. Meine Vermutung fand ich bestätigt. Diese Hand war noch warm. Also konnte der Schuß Schwechten erst vor kurzer Zeit niedergestreckt haben. Der Schuß, den wer abgefeuert hatte, wer …? Lag hier Selbstmord vor oder ein Verbrechen …? – Ich schaute mich im Zimmer um. Meine Blicke suchten die Waffe, aus der die Kugel gekommen war. Und ich entdeckte sie wirklich. Unter dem umgeschlagenen Paletot des Toten lag sie; nur ein kleines Stück des Laufes ragte hervor. Ich besah mir diesen Revolver, billige Dutzendware, genauer. Er schien völlig neu zu sein. Denn auf der Unterseite des Laufes fand ich noch die mit einer besonders hellen Tinte geschriebene Preisaufzeichnung 9 Mark. Dahinter die beiden lateinischen großen Buchstaben F. G., die offenbar das Firmenzeichen des Waffenhändlers.

Nachdem ich den sechsschüssigen Revolver, in dessen Kammer fünf scharfe Patronen und eine leere Hülse steckten, wieder an dieselbe Stelle gelegt und auch wieder mit dem zurückgeschlagenen Paletot halb bedeckt hatte, drängten sich mir wie unwillkürlich all die Fragen abermals auf, die mir schon vorhin

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)