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einsprach. Und so konnte es mir nicht entgehen, daß ihre krankhaft blassen Wangen noch um einen Schatten bleicher wurden und sie wie betäubt die Augen schloß, als Tante den Besuch des angeblichen Bettlers erwähnte. Und in demselben Augenblick schoß mir auch eine entsetzliche Ahnung durch den Kopf. Ich dachte an den Toten in Onkels Arbeitszimmer. Meine Gedanken brachten blitzschnell diesen rätselhaften Vorfall mit Marga Benraths heutiger Verstörtheit in Verbindung, eilten weiter und weiter, schlossen sich zu Kombinationen zusammen, die mir mit einemmal die Anwesenheit des Schauspielers in der Wohnung meiner Verwandten zu erklären schienen …

Scheu blickte ich zu Marga hinüber. Noch immer lag sie mit geschlossenen Augen in den Polstern, den Kopf tief auf die Brust gesenkt. Und jetzt stahlen sich langsam zwei schwere Tropfen hinter ihren Lidern hervor. Ein Bild so unendlichen Jammers war es, daß sich mir das Herz förmlich zusammenkrampfte.

Auch Tante war auf Margas totenähnliches Aussehen aufmerksam geworden. Schnell entschlossen rief sie mir zu:

„Fred – nach Hause! Sage dem Chauffeur Bescheid. Das Kind ist ja schon wieder einer Ohnmacht nahe.“

Ein furchtbarer Schreck durchzuckte mich. – Nach Hause – dorthin, wo neues Entsetzen, neue Aufregungen uns erwarteten, wo fraglos schon die inzwischen heimgekehrten Mädchen Lärm geschlagen hatten, da sie den Hintereingang durch die vorgelegte Sicherheitskette versperrt fanden, und man

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)