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Leidenschaft, diesem traurigen Erbteil meines Vaters geopfert hatte? – –

Der frühere österreichische Leutnant, der jetzt hier in Berlin sein luxiöses Leben durch Einnahmen bestritt, von denen niemand recht wußte, aus welcher Quelle sie flossen, und der trotzdem in unserem Klub eine gewisse Rolle zu spielen verstand, rechnete jetzt meine Bons, die ich in Ermangelung baren Geldes schließlich hatte ausstellen müssen, zusammen und reichte mir dann den Zettel über den Tisch hin.

„Achttausendzweihundertundfünfzig Mark sind’s, Heiking. Ich muß Sie leider schon bitten, da ich es augenblicklich auch recht knapp habe, mir die Summe in der unter uns üblichen Zeit von achtundvierzig Stunden zugehen zu lassen.“

Er hatte sich erhoben und zündete sich seelenruhig eine Zigarette an.

„Unmöglich, Lautenborn, unmöglich!“ preßte ich mühsam zwischen den Zähnen hervor. „Gewähren Sie mir wenigstens eine Woche Aufschub.“

Auf des Leutnants hoher Stirn erschien eine senkechte Falte. Mit einem Ruck zog er die Weste seinem Smoking-Anzuges zurecht und sagte, während sein linkes, weit aufgerissenes Auge mich durch das Monokel drohend anfunkelte. –

„Bedaure, Herr Heiking. Jeder ist sich selbst der Nächste. Sie haben ja reiche Verwandte hier in Berlin. Ihrem Onkel Grunert ist es doch zum Beispiel ein Leichtes, Ihnen mit ein paar braunen Lappen unter die Arme zu greifen.“

Dann zog er seine goldene Kapseluhr und ließ den Deckel springen.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)