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dann äußern, wenn ich Gewißheit habe. Vielleicht allerdings auch nie, eben dann, wenn ich einsehe, daß meine Vermutungen unzutreffend sind und ich daher fürchten muß, mich durch deren Bekanntgaben zu … blamieren.“

Ich merkte, daß Onkel meine Absichten noch immer nicht ernst nahm. Er lächelte so eigentümlich vor sich hin. „Vorsichtig bist du, das muß man dir lassen,“ meinte er. „Sich die Rückzugslinie rechtzeitig zu decken, ist auch eine Feldherrnkunst.“

Dann wurde der Nachtisch, eine süße Speise mit Fruchtsauce, aufgetragen. Und alter Gewohnheit gemäß verstummte das Gespräch, so lange Lisbeth noch im Speisezimmer zu tun hatte. Nachher schien niemand Lust zu haben, die Unterhaltung wieder zu beginnen.

Dann hob Tante Johanna die Tafel auf.

„Wie denkst du darüber, Marga, wenn du noch mit Fred einen kleinen Spaziergang machtest,“ fragte sie, als sie ihre Nichte beim Mahlzeitsagen auf die Stirn küßte. „Schaden kann dir die frische Luft nicht. Oder fühlst du dich noch zu matt zum Gehen?“

„Keineswegs. Aber vielleicht hat Fred etwas anderes vor.“

„Wirklich nicht, mir wird es ein Vergnügen sein,“ beeilte ich mich zu versichern. Denn dieses Alleinsein mit Marga kam mir sehr gelegen.

So wanderten wir denn zehn Minuten später nebeneinander die Motzstraße entlang dem Nollendorfplatze zu. Absichtlich sprach ich vorläufig über ganz gleichgültige Dinge. Als wir dann unschlüssig, wohin wir uns wenden sollten, vor dem neuen Gebäude der Cines-Lichtspiele standen, machte ich meiner

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/70&oldid=- (Version vom 1.8.2018)