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auch gar nicht begreifen will. Ich bin müde, kehren wir um.“

Einen Moment war ich nahe daran, an mir selbst irre zu werden, und die mir bereits Vorausgeeilte mit wenigen Schritten einholend, sagte ich mit Nachdruck:

„Möge nie der Tag kommen, Marga, wo Sie es bereuen, heute hier die hilfreiche Hand eines aufrichtigen Freundes zurückgestoßen zu haben. Daß ich trotzdem weiter über Ihnen wachen werde, können Sie mir nicht verwehren.“

Keine Antwort. Schweigend gingen wir bis zum Bahnhof Heerstraße nebeneinander her. Und erst im Untergrundbahnzuge, wo das stille, in sich gekehrte Paar nur aufgefallen wäre, begann sie wieder von Dingen zu plaudern, die sicher uns beiden in dieser Stimmung mehr als gleichgültig waren.

Ich brachte Marga bis an die Haustür und verabschiedete mich dann. Als ich bereits den kleinen Vorgarten durchquert hatte, rief sie mich nochmals zurück. Sofort war ich wieder neben ihr.

„Sie wünschen?“

„Fred – ich –“ Sie suchte nach Worten. Im Schein des Laternenlichtes sah ich, daß ihre Augen feucht schimmerten. Und in ihren Mienen spiegelte sich deutlich ein schwerer Seelenkampf wider.

„Haben Sie doch Vertrauen zu mir, Marga,“ bat ich wieder, um ihr ein Geständnis, das erlösende Wort leicht zu machen.

Es sollte nicht sein. Plötzlich wandte sie sich um, stieß die Tür auf und flüchtete eilig die Treppe empor.

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/74&oldid=- (Version vom 1.8.2018)