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der Mann jung oder alt war und ob er einen Bart – Schnurrbart oder Vollbart hatte?“

„Der Fremde war entschieden noch jung, mittelgroß und besaß einen kleinen blonden Schnurrbart,“ erwiderte die Geheimrätin eifrig. „Ein Irrtum ist in dieser Hinsicht ausgeschlossen. In unserem Treppenhause ist es ausnahmsweise sehr hell, und ich habe das Gesicht des Mannes trotz des Schlapphutes ganz deutlich gesehen.“

Hiller hatte wieder den Bleistift in die Hand genommen und betrachtete jetzt scheinbar prüfend dessen Spitze, während er langsam, einzelne Worte besonders hervorhebend, sagte:

„Gnädige Frau, hat der Herr, der links neben Ihnen sitzt, Ähnlichkeit mit dem Fremden im braunen Ulster?“

Die Geheimrätin, die mich nur bei ihrem Eintritt mit einem flüchtigen Blick gestreift hatte, schaute mich daraufhin schärfer an. Und unwillkürlich wandte ich ihr nun mein volles Gesicht zu, indem ich mir alle Mühe gab, ihren forschenden Augen ruhig zu begegnen. Für mich hing ja so unendlich viel von dem Ausfall dieser Gegenüberstellung ab.

Nur kurze Zeit dauerte dieses gegenseitige Anstarren, dann erklärte die Dame mit einem leisen Lächeln dem Kommissar, der uns inzwischen scharf gemustert hatte:

„Gewiß, bekannt kommt mir der Herr wohl vor. Wenn ich nicht irre, ist es ein Verwandter des Generaldirektors Grunert. Jedenfalls bin ich ihm in unserem Hause schon begegnet. – Ob eine Ähnlichkeit mit jenem Fremden besteht, vermag ich nicht zu entscheiden.“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/93&oldid=- (Version vom 1.8.2018)