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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis

2. Das Euphon, erfunden 1789 und zu Stande gebracht 1790, enthält nach vorn gläserne Stäbe etwa von der Dicke einer Federspule, und alle von gleicher Länge; hinterwärts befindet sich der Resonanzboden und die übrige mechanische Einrichtung. Die Glasstäbe, welche zur Unterscheidung der Töne von zwei verschiedenen Farben sind, werden mit nassen Fingern der Länge nach gestrichen. Der Klang ist eben so sanft, wie der von der Harmonika; in der Höhe läßt sich ungefähr eben das auf diesem Instrumente ausführen, und in der Tiefe spricht es weit leichter an. Manche tiefe Töne waren vormals, wie von einigen mit Recht bemerkt worden ist, verhältnißmäßig zu schwach, neuerlich aber hat er ein ganz einfaches Mittel gefunden, ihnen etwas mehr Stärke zu geben.

3. Die Akustik, oder die Lehre vom Schall und Klang, war weit mehr vernachlässigt, als viele andere Theile der Naturkunde, und die Gesetze, nach welchen sich die meisten Arten von klingenden Körpern bei ihren Schwingungen richten, waren ganz unbekannt. Chladni hat sich bemüht, diesem Theile der Naturkunde theils manchen Zuwachs zu geben, und manche vorhandene Lücken auszufüllen, theils auch ihn in einem gehörigen wissenschaftlichen Zusammenhange vorzutragen, welches vorher noch von niemanden geschehen war. Seine ersten Beobachtungen, besonders über die Gesetze, nach welchen die von ihm sichtbar gemachten Schwingungen einer Fläche sich richten, hat er in einer zu Leipzig 1787 erschienenen Schrift: Entdeckungen über die Theorie des Klanges, bekannt gemacht. Hernach hat er diesen Theil der Naturkunde in dem zu Leipzig bei Breitkopf und Härtel erschienenen Buche:

Die Akustik, bearbeitet von E. F. F. Chladni, 1802. 4., S. 310 und XXXII, nebst XI Kupfertfln

im Zusammenhang vorgetragen, und zwar, soviel es sich thun ließ, mit Benutzung aller bis dahin vorhandenen fremden und eigenen Untersuchungen. Als er im Jahre 1809 in Paris war, hat er dem Wunsche der dortigen Physiker gemäß, dieses Werk in französischer Sprache so umgearbeitet, wie er es für zweckmäßig hielt, und es dort bei Wittwe Courcier unter dem Titel: Traité d’Acoustique, par E. F. F. Chladni, 1809. 8. herausgegeben. Bald werden von ihm in der Breitkopf- und Härtelschen Buchhandlung zu Leipzig neue Beiträge zu Akustik erscheinen, wovon der Druck so eben angefangen hat.

(Dieses ist, wir wissen was wir sagen, das einzige Werk der deutschen Physiker, das Epoche gemacht, das einen ganz neuen Zweig in die Physik eingeführt hat, welcher von eben so großer Wichtigkeit ist, als die Lehre von der Electricität, dem Galvanismus und dem Magnetismus, und der mithin dem Entdecker die Unsterblichkeit sichert. Aber was hat er von der Unsterblichkeit, wenn man ihn der aussichtslosen Sterblichkeit hinwirft? Hat sich in Deutschland auch nur eine Akademie bemüht, ihren [64] Kreis mit diesem Mann zu zieren? Hat sich in Deutschland auch nur eine Regierung nach diesem Mann umgesehen? Hat in Deutschland auch nur ein Fürst sich dadurch geehrt, daß er diesem Manne, der unter die ersten Physiker der Welt gehört, eine Besoldung ertheilte? Newton, Franklin, Galvani, Volta wurden von ihren Vaterländern bis in den Himmel erhoben, die so mit ihnen den Ruhm theilten, den beide erkannten. In ganz Europa aber muß er herumirren, der Geist, der uns die Geometrie der Töne schenkte, ein zweiter Pythagoras, auf dessen Leichenstein einst in Konstantinopel oder auf Hayti zu lesen seyn wird: Steh Wanderer! Hier ist Deutschlands Chladni verhungert!Denn er war ein deutscher großer Gelehrter!Geh nicht – –)

4. Die vom Himmel gefallenen Stein- und Eisenmassen sind auch ein Gegenstand seiner Untersuchungen gewesen, und er hat in einer zu Leipzig bei Hartknoch zu Ostern 1794 erschienenen Schrift: Ueber den Ursprung der von Pallas entdeckten Eisenmasse und über einige damit in Verbindung stehende Naturerscheinungen, in neuerer Zeit zuerst gezeigt, 1) daß öfters Stein- und Eisenmassen mit vielem Getöse und mit einem Feuermeteor niedergefallen sind, 2) daß diese Massen kosmisch sind, d. i. Abkömmlinge von Außen, die vorher unserm Weltkörper und der Atmosphäre desselben fremd waren.

(Diese Meinung lassen wir dahingestellt. Um nichts gegen die Möglichkeit einer kosmischen Entstehung zu sagen, so ist doch soviel unbestreitbar, daß Steine aller Art in der Luft entstehen können, ja wir wagen es zu behaupten, müssen, wenn es soll regnen können.)

Anfangs war seine Behauptung, daß dergleichen Massen vom Himmel fallen könnten, und schon öfters gefallen waren, von den meisten Physikern (an welchen Beispielen besonders unsere Zeit des Dünkels und der Alleinweisheit reich ist) für eine Verirrung der Einbildungskraft gehalten, bis endlich die vielen neuern Ereignisse dieser Art, nebst den chemischen und andern Untersuchungen, hinlänglich zeigten, daß die Sache ihre Richtigkeit habe. Chronologische Verzeichnisse der bisher bekannt gewordenen Meteorsteinfälle, soviel als möglich mit Beobachtung der gehörigen historischen Genauigkeit und mit Benutzung der frühern Quellen, hat er in Gilberts Annalen der Physik, 1815, 7 St., in Schweiggers Journal der Chemie IV B. 1. Heft, und auch in einigen ausländischen wissenschaftlichen Zeitschriften geliefert; nächstens sollen Fortsetzungen davon erscheinen. Seine ziemlich zahlreiche Sammlung von Meteorprodukten, die wir gesehen haben, deren etliche zwanzig von allen Charakteren sind, dient zu weiterer Erklärung dieses Gegenstandes.

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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Brockhaus, Jena 1817, Seite 63–64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_32.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2018)