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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis

Geistesstände wollt ihr haben! Ja den Geist schließt ihr aus! Den gelehrten Stand, welcher durch den geistlichen mit Recht repräsentiert wird, werft ihr weg! – Nur Bauern und Handwerker (denn die Rittergutsbesitzer sind nach euch nicht von jenen verschieden) wollt ihr zusammenrufen; auf diese wollt ihr den Staat gründen, diese sollen die Staatseinsichten per inspirationem mitbringen – oder euch für sie denken und handeln lassen!

Und du geistlicher Stand! du schweigst! du läßt dich aus deinem mehr als Tausendjährigen Recht hinauswerfen, und du schweigst! Wozu habt ihr Pastoren! denn den General-Superintendent, wenn er nicht mit euch in Corpore gegen solche Zurücksetzung zu protestieren wagt? Wozu haben wir unsere Universität, wenn sie sich nicht schämt, daß sie bloß deßhalb Landstand ist, weil sie Rittergüter hat, also weil sie Ritter oder Bauer ist? So weit sind die Ideen schon verloren! So arg hat die falsche Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts gestürmt, daß sogar die Wurzeln ausgerottet sind von dem Sinn dessen, was man ist, was gewisse Menschenklassen sind! Müssen wir uns nicht ewig schämen, daß wir nicht als Gelehrte, nicht als gelehrtes Institut, nicht als gelehrter Stand zum Staat gehören; sondern nur als Bauern, oder gar als Ritter? Und zu dieser Schande schläft die Universität!

Ja was noch mehr ist, sie weiß nicht einmal mehr, was sich geziemt in Hinsicht auf den Charakter des zu wählenden Stellvertreters! Sie weiß nicht mehr, welches an ihr die erste Facultät, und welches in dieser der erste Mann ist! Von jeher waren die Senioren der Theologischen Facultät, wie es sich geziemt, die Abgeordneten, und zwar mit dem Titel Prälat, wie es sich für einen solchen ehrwürdigen Körper gebührt; jetzt aber haben es die Regierungsjuristen auch so zu machen gewußt, daß sogar die Universität auch noch einen Juristen zu dem Dutzend Juristen geschickt hat, und es scheint, daß sie sogar an den nächsten Landtag, worinn hoffentlich erst die Staatsverfassung zum Vorschein kommt, wieder einen Juristen schicken, und sich so ihren Rang vergeben will.

Ist es denn so schwer zu begreifen, daß zur Entwerfung eines Staatsgrundgesetzes es keiner anderer Juristen bedarf, als zur Regulierung der Form nöthig sind; daß Juristen ewig für ihren Stand reden und handeln, und so die andern Stände zurückkommen, bloß weil sie nicht da sind; daß Juristen, wo sie [76] in Menge allein beisammen sind, sich in Formalitäten, in Kleinigkeiten, in Vorsichtsmaßregeln, an die kein Mensch denkt, verlieren; daß überhaupt in solchem Grundgesetz nur die allgemeinsten Rechte und Pflichten ausgesprochen werden müssen, aber solche, welche jeden Stand gleich bedenken, wozu nichts weiter als gesunder Menschenverstand nöthig ist! –

Seht ihr denn nicht, daß in unserem, so wie in allen deutschen Staaten, nur die Juristen gut besoldet sind, während Gelehrte, Geistliche, Aerzte, Schullehrer darben? Und diesem Stand wollt ihr euere Rechte, euer Wohl zu vertreten übergeben? Warum schiebt man alle gebildeten Stände, warum den Adel und die Geistlichkeit oder den gelehrten Stand aus der Landesvertretung weg? Bauern, Handwerker und Juristen will man zusammenthun, damit diese die alleinigen Herren bleiben. Adel und Geistlichkeit! wenn ihr dieses duldet, so seyd ihr euerer alten Würde untreu. Die Kraft des Staats den Juristen überlassen, den Geist des Staats den Juristen überlassen, heißt das Edelste der Menschheit und der Bürgerschaft einem Stand als Sklav opfern!

Es bedarf wohl nicht fernerer Entwickelungen, die ohne Zweifel leicht möglich wären, daß nicht der Boden, nicht die Art des leiblichen Geschäfts den Unterschied unter den Menschen bestimmt, sondern die Verschiedenheit der Grundlagen der menschlichen Thätigkeit. Deren sind aber drei: die leibliche, die geistige, und die welche eine Verbindung beider ist, die des Gemüths oder des Muthes.

Es gibt allerdings drei Stände, und nur drei von der Natur, von der Philosophie und von aller Geschichte gesetzt, aber ganz drei andere, als welche ihr uns einführen wollt, indem ihr die zwei edeln vertilgt, und die Handarbeiter in drei spaltet. Es ist der Nähr-, Wehr- und Lehr-Stand.

Diese hat die Natur gesetzt, diese haben alle Völker bis auf diese Zeit aller Verkehrung der Ideen anerkannt und heilig gehalten. Es ist der dritte Stand, der Adel und die Geistlichkeit. In diesen Ständen macht der Geist, welcher in allem Menschlichen den Stab führt, den Unterschied. Es ist unmöglich mehr oder weniger Hauptäußerungen der menschlichen Thätigkeiten zu unterscheiden, als eben die drei, des Leibes, des Geistes und des Gemüths. Der Muth, die Kriegskunst ist etwas ganz anderes als die Gelehrsamkeit; in ihr ist augenscheinlich eine Verbindung dieser mit der Kunst des Handarbeiters,

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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Brockhaus, Jena 1817, Seite 75–76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_38.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2018)