Seite:Isis 1817 39.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Lorenz Oken (Hrsg.): Isis

und im Muth sind Geist und Leib so identificiert, daß die Bestandtheile nicht mehr zu erkennen sind.

In diesen Ständen ist Würde, in diesen Ständen gibt es Personen vom höchsten Rang nach dem Fürsten, und nur in diesen, nicht aber im Bürger- und dem sogenannten Baurenstand. Handwerker und Bauren begleiten nun mit einigen Juristen die höchsten Würden des Staats; diese sollen unsere Vertreter seyn, diese, welche weder durch ihre Bildung, noch durch ihr Geschäft, noch durch ihren Rang, den ihnen selbst die Juristen zugestehen, im Stande sind, gegen dieser Vorschläge etwas vorzubringen! Gegen einen Handwerker und Bauern setzt man freilich eher etwas durch, als gegen einen General oder einen Bischoff.

In unserer Verfassung ist der Adel nichts mehr (freilich hat er auch vergessen, daß er der geborene Wehrstand ist), in unserer Verfassung ist die Geistlichkeit nichts mehr (man kann sie nicht so wie den Adel tadeln, da sie nur dem Zwang und der Noth unterlag) – nur der Bauren- und Juristenstand ist etwas. Diese geben Adel und Geistlichkeit Befehle, und vollenden vollends die Herabwürdigung beider Stände, damit sie sie mit scheinbarem Recht ausschließen können von den Einreden in ihren Kreis.

Der dritte Stand ist der Bürgerstand, zu dem in Staaten, worinn das Recht schon seit längerer Zeit gleich vertheilt ist, Bauer wie Städter gehört, da beide Mitglieder des Nährstandes sind. Nur in Staaten, wo die Leibeigenschaft noch ein Andenken hat, macht man zwischen Städtern und Bauern in Bezug auf das Bürgerrecht einen Unterschied. Der Lehrstand ist der zweite Stand, er nährt geistig, und zu ihm gehören Professoren, Lehrer, auch Schulmeister (die freilich nicht vom Schustern und Schneidern sich zu erhalten gezwungen seyn müssen), Beamte, Aerzte, kurz alle Studierte, die nicht Handarbeit treiben: er ist aber gegründet in der Geistlichkeit, und der erste Geistliche ist mithin der erste Vertreter dieser Standes; dann würde der Senior der theologischen Facultät folgen, dann einige Superintendenten, dann einige Beamte, dann ein Advocat, dann einige Physiker, dann ein praktischer Arzt, dann einige Schulmeister.

Der Adel ist der höchste Stand als Wehrstand, an dessen Spitze der Fürst steht. Stellvertreter hat er im Feldherrn und einigen Generalen, im Obersten und allen Anführern bis herunter zum Gemeinen, [78] der auch seine Abgeordnete hat. Wer vom Adel nicht Soldat ist, wird billig nicht von ihm vertreten.

Genau genommen ist der Adel kein Volksstand, sondern er gehört zum Fürsten, und muß immer dessen Rechte vertheidigen, wie er es denn auch aus eigenem Interesse und mit Recht thut. Aber ebendeßhalb ist auch eigentlich nur der Bürgerstand der wahre Volksstand, und der Gelehrte steht zwischen ihm und dem Adel (zu dem der Fürst gehört) als wahrer Vermittler, zu dem ihn wieder sein Interesse und die Erhaltung seiner Rechte qualificiert. Diesen Stand muß daher weder der Bürgerstand (wozu die Bauren) noch der Adelstand (wozu der Fürst) untergehen lassen. Beide verlieren das vollständige Verbindungsglied, als das sich jetzt die Juristen allein einschieben möchten, beide geben sich dem wechselseitigen Haß Preis, den die Juristen gemäß des undankbaren Richteramts eher anfachen als auslöschen müssen.

Also allen Klassen der Staatseinwohner liegt daran, daß die drei Naturstände beibehalten, daß eine Abstuffung sei vom Fürst und Adel, durch den gelehrten oder geistlichen Stand, zum Bürger im Städter und Bauer.

Darinn muß vorangehen die Universität. Sie kann am meisten Muth zeigen als Corpus, was ein einzelner Geistlicher, der mit den Juristen in Tausend Verhältnissen steckt, nicht wagen darf. Die Universität muß sogleich den Titel, unter dem sie Landstand seyn soll, abhorrieren, muß auf den alten Titel hin das Recht verlangen, muß auf der Prälatenwürde für ihren ersten Geistlichen bestehen, und muß diesen, aber schlechterdings keinen Juristen, wie gescheidt dieser auch seyn möge, zum Landtag schicken. Hier kommt es nicht auf Gescheidtheit an, sondern auf Behauptung seiner Würde und Verschiedenheit der Ansichten (die unter Juristen in dergleichen Dingen ziemlich über einen Leisten geschlagen sind, weil sie studiert worden), und auf Interesse an dem Stande, den man vertritt. Ein Jurist hält praesumptive immer zur Regierung, entweder weil er gleiche Ansichten hat, oder weil er auch einmal gern etwas dergleichen werden möchte, und bei aller Ehrlichkeit für den Stand, den er vertritt, und bei mehr geeigneten Kenntnissen, taugt er doch weniger als ein anderer Mann, dem die studierten Rechte fremd sind, und der mit Leib und Seele seinem Stand angehört und ihm angehören muß, weil er mit gewinnt und verliert, was

Empfohlene Zitierweise:
Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Brockhaus, Jena 1817, Seite 77–78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_39.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2018)