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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis


ISIS

oder
Encyclopädische Zeitung.
I. Zu 13. 1817.


Da wir vorher die Meinung unserer Abnehmer hören wollen, ob es dem größten Theil angenehm ist, manchmal einen Aufsatz in der Ursprache zu lesen, so geben wir hiemit als Beilage die Uebersetzung von dem Stück 13. Wir bitten, uns gelegentlich die besonderen Wünsche über diesen Gegenstand mitzutheilen. Es gibt gewisse Aufsätze, die nicht wohl übersetzt werden können wegen Eigenthümlichkeit der Sprache, manche auch, die das Anziehende durch die Uebersetzung verlieren, was besonders von Gegenständen der schönen Künste gilt; so daß, im Falle unsere Gemeinde solche Urkunden nicht wollte, wir sie weglassen müßten. So könnten wir A. W. Schlegels Abhandlung über die venetianischen Kunstpferde, wodurch deutsche Gelehrsamkeit, deutsche Gründlichkeit bei den Ausländern in einem so glänzenden Licht erscheint, kaum anders als italiänisch geben; er müßte denn uns die Uebersetzung selbst mitzutheilen, die Gefälligkeit haben.

Wir sind der Meinung, daß der, den solche Aufsätze besonders angehen, auch ziemlich sicher die Sprache versteht, in der sie gedruckt sind.

Frau von Stael,
Ueber die Weise und den Nutzen der Uebersetzungen.

Uebertragen aus einer Sprache in die andere die ausgezeichneten Werke des menschlichen Geistes ist die größte Wohlthat, welche man den Wissenschaften erweisen kann; denn es gibt so wenig der vollkommenen Werke, und die Erfindung in jeder Art ist so selten, daß, wollte jedes der neuern Diete (Nationen) sich begnügen mit seinen eigenen Reichthümern, es immerhin arm wäre: und der Verkehr der Gedanken ist derjenige, welcher den sichersten Gewinn bringt.

Die Gelehrten und auch die Dichter gedachten zur Zeit der Urstände der Wissenschaften, alle in einer und derselben Sprache, nehmlich der lateinischen, zu schreiben, weil sie nicht wollten, daß um verstanden zu werden, man genöthiget wäre sie zu übersetzen. Das konnte in Wissenschaften, welche um ihre Sätze auszudrücken, nicht Anmuth suchen, von Vortheil seyn. Aber dadurch geschah, daß die meisten Italiäner nicht wußten, welch ein Reichthum von Wissenschaften in ihrem Land vorhanden war, weil der größte Theil derer, [98] die lesen konnten, nicht Lateinisch verstanden. Und andererseits mußte man, um diese Sprache in den Wissenschaften und der Philosophie anzuwenden, Namen schaffen, die bei den römischen Schriftstellern fehlen. Daher kamen die Gelehrten Italiens dahin, sich einer Sprache zu bedienen, welche todt war, nicht antik. Die Dichter kamen nicht aus den Worten, nicht aus den Sprüchen der Klassiker heraus: und Italien, immerhin an den Ufern der Tiber, des Arnos, Sebetos und der Etsch die Sprache der Römer hörend, hatte Schriftsteller, die man im Styl an Virgil und Horaz setzte, wie Fracastoro, Poliziano, Sannazaro, deren Werke aber, wenn auch der Ruhm heut zu Tage nicht erloschen, doch verlassen liegen, und nur von den sehr Gelehrten gelesen werden: so kümmerlich und kurz ist der auf Nachahmung gegründete Ruhm. Und diese Dichter der erneuerten Latinität wurden von ihren Mitbürgern wieder zu Italiänern gemacht: denn es ist ein Werk der Natur, daß die Sprache, welche Gefährtin und fortdauernder Theil unsers Lebens ist, der vorgesetzt wird, welche sich aus Büchern lernt, und sich allein in Büchern findet.

Ich weiß wohl, daß das beste Mittel, Uebersetzungen


Empfohlene Zitierweise:
Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Brockhaus, Jena 1817, Seite 97–98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_49a.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2018)