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trösten, mußte aber innerlich ihre Bangigkeit um Anita begründet finden. —

Am 9. Oktober kündete ein Privattelegramm den lang erwarteten Fall Antwerpens an, und am folgenden Tage bestätigte die Depesche aus dem Großen Hauptquartier die frohe Botschaft. Die Glockentöne rauschten wie feierlicher Lobgesang, Fahnengirlanden schlängelten sich hurtig an beiden Seiten der Straße entlang, und wer sich freimachen konnte, eilte zur Siegesfeier in der städtischen Festhalle, die durch Maueranschläge auf sechs Uhr abends angekündigt war. Ich hatte kaum eine Stunde übrig, aber an solchem Tage, wo das Rad der Weltgeschichte knarrend um einen Zahn weitergerückt ist, will man doch nicht, wie Vogel Strauß, den Kopf in den Sand stecken; so eilte auch ich dorthin. Die Feier fand im Freien statt auf der Terrasse, die, von hohen Bäumen, wie von Tempelsäulen umgeben, von frohen Menschen dicht besetzt, einen weihevoll festlichen Anblick bot. Musik klang mir schon entgegen: Das Niederländische Dankgebet. Die vordere Reihe auf der Terrasse nach dem Park zu, gewissermaßen die Ehrenplätze, nahmen die Feldgrauen ein, die Verwundeten der Lazarette, hinter ihnen drängten sich die Bürger und zahlreiche Damen an weißgedeckten Tischen. Unter den Verwundeten bemerkte ich gleich einen Artilleristen, namens Jäger, den ich vor wenigen Tagen im Lazarett kennen gelernt, und der mir von den Kämpfen bei Maubeuge und dem Transport der großen Mörser von dort nach Antwerpen erzählt hatte. Ich winkte ihm grüßend zu, doch zugleich bemerkte ich an einem der hinteren Tische unter einem schwarzen Samthut Frau Anitas liebliches Antlitz zwischen dem breiten blassen ihrer Mutter und dem breiten purpurfarbenen ihres grauköpfigen Onkels Karl. Der jungen Frau wollte ich doch meine Freude darüber aussprechen, daß ihr Max jetzt in Antwerpen seinen Siegeseinzug gehalten, also schlängelte ich mich an ihren Tisch. Anitas Augen funkelten im Triumph, von dem müden Zug, der mich neulich erschreckt, war keine Spur mehr, wie junge, siegende Hoffnung sah sie aus.

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/71&oldid=- (Version vom 24.7.2016)