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zwei 42-Zentimeter-Mörser von Maubeuge nach Antwerpen begleitet hat.“ „Bitte, Herr Jäger“, fuhr ich fort, „er zählen Sie doch den Damen mal etwas von den Riesenkanonen!“ Und Herr Jäger begann: „Wir hatten ein Pärchen dieser Mordinstrumente von Maubeuge nach Antwerpen zu befördern. Die Mörser treten nämlich auch paarweise auf, wie die Frankfurter Würstchen, oder die Menschen: Es müssen immer zweie sein. Aber dieses Pärchen ist von einer abgeschmackt unbehilflichen Leibesbeschaffenheit, drum wird jede Kanone in acht Stücke zerlegt, und jedes Stück von drei Motorwagen gezogen. Wir hatten 26 solche Maschinen, die einer Dampfwalze glichen, wie eine Schwester der anderen. Zwei Maschinen waren in Reserve, um bei Steigungen nachzuhelfen. Mit 400 Mann Bedeckung haben wir die Monstren nach Antwerpen gebracht.“ Dann schilderte er das Zusammensetzen der Mörser, ihre Einzementierung, ihr Laden bis zu dem Augenblick, wo der Leutnant Feuer kommandiert, und der Gruß von der Frau Berta aus Essen, die gewaltige Granate, unter Flammen und ohrenbetäubendem Knall, der in hundert Meter Entfernung die Scheiben zertrümmert und die Dächer abdeckt, in die Wolken fliegt, federleicht, wie der Gummiball eines Kindes.

Frau Anita lauschte mit größtem Erstaunen diesen Enthüllungen, noch mehrere Freunde Onkel Karls hatten sich an den Tisch gesellt und freuten sich ebenfalls an den munteren Erzählungen des Feldgrauen, ich aber mußte mich verabschieden. Frau Anita drückte ich zuletzt die Hand. „Jetzt halten Sie mich sicher für bodenlos dumm“, flüsterte sie errötend. „Für dumm? Bewahre, für heilig!“ rief ich zurück und eilte fort.

Das Wort war vielleicht etwas überschwenglich, aber ich fand im Augenblick kein anderes. Gehört hatte es ja niemand, aber, wenn auch, ich wollte es schon vertreten. Heilige Einfalt! Es zeugte von großer Unkenntnis, daß Anita glaubte, mit ihren Händchen 42-Zentimeter-Mörser schieben zu können; aber daß sie keine Ruhe findet, bis sie

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/74&oldid=- (Version vom 24.7.2016)