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Pflicht. Was aber nutzen alle Opfer, wenn das künftige Geschlecht nicht ebenso stark und pflichttreu ist?“ —

„Wie Deutschland von Feinden umringt ist, so umlauern jeden im Leben feindliche Tücken. Was wäre aus Deutschland geworden, wenn es nicht stark war, und deinen Sohn läßt du zum Schwächling entarten?“

„Ich glaube, es ist zu spät“, klagte Frau Gärtner kleinlaut; aber der Gedanke gab keine Ruhe:

„Du mußt es versuchen, so gut wie das kleine Häuflein Getreuer in Tsingtau auf verlorenem Posten seine Pflicht erfüllt bis zum Äußersten.“

Sie hatte das Extrablatt gekauft und las nochmal die Worte. Ihr war, als ob sie geheimnisvolle Kräfte ausströmten, und tief holte sie Atem, um alle diese Kraft in ihre Brust zu saugen. Auch ihr Herz drängte sie zu ihrem Jungen; er war ja krank, sie wollte ihn heilen. Es war ihre Pflicht. Immer entschlossener, mutiger wurde sie. Die Helden von Tsingtau waren doch von ihrem Volke, warum sollte sie nicht ebensogut ihre Pflicht erfüllen können bis zum Äußersten.

Sie kam nach Hause. „Felix!“ Trotzig schlich der Junge herbei, er machte ihr die Unterredung anfangs schwer. Mit Schrecken gewahrte sie, wie fremd er ihr schon geworden war. Sie gab nicht nach. „Bis zum Äußersten!“ dachte sie. Wie sehr er sein Herz verschloß, ihre Liebe erzwang sich den Zugang, und sie erkannte unter der Schale des Trotzes, der Mißachtung doch noch einige Fädchen der Liebe, an die sich anknüpfen ließ. Dann legte sie ihm die Depesche aus Tsingtau vor und rief alle Knabenträume von Kraft und Heldentum in ihm wach. „Deutschtum heißt Pflichterfüllung“, sagte sie mit liebewarmem Ton, „komm, Felix, wir beide wollen unseres Volkes würdig werden!“ Gott Dank! auch diese Saite begann zu klingen, um den Hals fiel ihr Felix und weinte, aber sein finsterer Blick leuchtete aus unter den Tränen, und seine Mutter hätte am liebsten Hurra gerufen. Dann wurde ein Plan gemacht, und die Arbeit begann. Keine Grammatik,

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/79&oldid=- (Version vom 24.7.2016)