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matik, kein Mathematikbuch war mit soviel Siegeln verschlossen, daß die schöne Frau Hermine nicht eindrang. Sie hatte viel zu tun, Frauendienst, Liebesdienst, — aber sie lief mit der galoppierenden Zeit um die Wette, um für ihren Sohn und das gemeinsame Studium Muße zu gewinnen. Sie hatte sich immer einmal eine größere Aufgabe für ihr Leben gewünscht, jetzt glaubte sie eine solche gefunden zu haben, die sie befriedigte, die Schwung in ihr Leben brachte. Auch Felix leuchtete auf.

Wieder einmal hatte Frau Gärtner heute die Lehrer besucht. Sie kam nicht mehr als Bettlerin, man war sehr zufrieden mit Felix. „Eine ganz merkwürdige Metamorphose ist mit Ihrem Jungen vor sich gegangen“, sagte der Direktor, „ich staune ihn oft an wie ein Welträtsel.“ Ihr Gatte hatte dieses Mal in sehr nachdrücklicher Weise wegen der Kinder, besonders wegen des Filius angefragt, nun wollte sie ihm einmal einen ausführlichen Bericht schreiben. Wieder begann sie:

„Liebster Hugo!“ Und nachdem sie die ersten Punkte seines Briefes beantwortet, kam sie an die Frage nach den Kindern und schrieb:

„Das Vaterland, wie wir es von den Vätern ererbten, ist sicher der höchsten Opfer wert, daß es aber zu gleich das Land der Kinder ist, wiegt noch schwerer. Es bietet uns insofern ein Stück Himmel auf Erden, als wir in Deutschland etwas ewig Dauerndes sehen und so unser irdisches Tagewerk mit einem unvergänglichen Werk, dem Vaterland, verflechten dürfen. Wenn Du nun im Feld für die Erhaltung Deutschlands kämpfst, kannst Du es mit dem Bewußtsein tun, daß Deine Kinder sich nach menschlicher Voraussicht der hohen Opfer einst wert erweisen werden, und daß namentlich Felix, auf den es ja im allgemeinen und bei Deiner Anfrage besonders ankommt, sich bis heute zu einem tüchtigen, pflichtbewußten deutschen Jüngling entwickelt. Ich selbst habe mich, seitdem Du im Feld bist, um seine Studien mehr als früher bekümmert, und ich danke Gott für diese Tätigkeit, die mir über die Qualen

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/80&oldid=- (Version vom 24.7.2016)