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der Trennung von Dir hinweghilft und meinem Leben als Kriegersstrohwitwe einen edlen Inhalt gibt. Also sorge Dich nicht um uns, liebster Hugo, ich könnte, wie Meyer-Waldeck aus Tsingtau Dir antworten: Einstehe für Pflichterfüllung bis zum Äußersten; und mir ist die Pflichterfüllung besonders süß, weil sie mich Dir näher bringt, mich Deiner würdiger macht, und ich sie auch aus Liebe zu Dir verrichte. Du sollst bei Deiner Rückkehr Freude an den Kindern haben.“

Hier wurde die Briefschreiberin unterbrochen, denn Felix, ein frischer, fröhlicher Junge, trat ein. „Mutting, Tsingtau ist gefallen“, rief er mit schmerzlichem Ton, und auch dem Herzen der Mutter entpreßte die Nachricht ein stöhnendes „O Gott!“ „Aber Mutting“, fuhr Felix fort, „unsere Besatzung hat drei Monate lang, zuletzt gegen eine fünfzehnfache Übermacht, Widerstand geleistet; erinnert das nicht an die Tat des Leonidas und seiner dreihundert Unsterblichen?“ „Es ist ein leuchtendes Beispiel von deutscher Kraft und Pflichttreue“, erwiderte die Mutter, „wie stolz müssen wir auf ein Volk fein, das solche Männer hat.“ „Bin ich auch, Mutting“, rief Felix, und aus seinen Augen blitzte Feuer, wie es der Stahl aus dem Stein schlägt. Dann wandte er sich zur Tür, doch bevor er das Zimmer verließ, fügte er mit verhaltener, herber Kraft hin zu: „Mit dem Stolz ist's nicht genug. Der Name Tsingtau soll mir wie ein Stern auf dem Weg der Pflicht leuchten, und das Stück Erde erobern wir auch noch mal zurück.“

Die schöne Frau Hermine lehnte sich in den Sessel und schloß die Augen. Wie mochte die Zukunft ihres Sohnes sich gestalten? Greuliche Nebelgestalten, lichte Bilder wechselten vor ihrem Blick. Dann schalt sie sich: „Welch müßiges Träumen! Das Schicksal ruht in Gottes Hand.“ Jedenfalls war Felix auf dem Weg, ein Charakter, ein deutscher Mann zu werden, er war nicht mehr krank und morsch im Herzen. Als sie ihren Brief vollendet hatte, trat sie an das flackernde Feuer im Ofen und warf den alten, nicht abgesandten Brief hinein. Wie ein Freudenrausch

Empfohlene Zitierweise:
Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/81&oldid=- (Version vom 24.7.2016)