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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Herr? — wiederholte, so bekam er doch nichts weiter zu hören. — Wie könnte man hier wohl noch von einer schriftlichen, verständlichen, in der Volkssprache angefertigten Uebersetzung der Gerichtsschriften und dgl. sprechen wollen. Aber man sorgt von der Regierung aus für die Verbreitung der Kenntniss des Gesetzes; man schickt deutsche Amtsblätter, Kreisblätter u. s. w. dem Schulzen und Krüger zu und lässt die Kosten dafür die Gemeinde tragen. Nun, ich frage jeden Menschen in der Welt, was nützen Gerichte, was nützen dem Volke gedruckte Anzeigen von Verordnungen, Gesetzen u. s. w., wenn die Sprache, in der sie geschrieben, denselben unverständlich ist?

 So also geht man noch heutigen Tages mit allen Waffen darauf los, die Ueberreste der alten Bewohner der Kaschubei auszurotten, indem man sie, wenn auch nicht mehr körperlich, so doch wenigstens geistig tödtet. Und eine solche Erscheinung im XIX. Jahrhundert! Man erwiedere mir nicht, der Zweck des Staates gebiete es mit Nothwendigkeit! Welcher Zweck ist erhaben genug, um die Barbarei eines Nationalmordes zu rechtfertigen? Welcher Zweck gross genug, um ein solches Mittel zu heiligen? Aber man glaubt ja sogar schon, das Werk vollbracht zu haben; mit Wonnegefühl rufen uns deutsche Zeitschriften und Broschüren entgegen: „Sie sind germanisirt!“ — Was soll man dazu sagen? — Ist das der wahre Patriotismus Deutschlands? Das die Wirkung der deutschen Nationalbestrebungen? — Wir glauben es nicht! — Es sind das die Stimmen einzelner Schreier! Die deutsche Nation in ihrem edleren Kerne weiset sie von sich, und das ist unsere Zuversicht! — Jenen Schreiern aber rufen wir nichts als Körner’s wohlzubedenkende Worte zu:

Unsere Sprache ward geschändet,
Unsere Tempel stürzten ein.

C. F.


II.
Wissenschaften.
1. Kopernik gehört nicht in die Walhalla.

 Vor Kurzem erschien in Warschau und darauf im Tyg. Lit. eine Abhandlung über Kopernik von Adrian Krzyzanowski, in welcher Kopernik dem slavischen Stamme mit Recht vindicirt wird. Wir theilen dieselbe hier im Auszuge mit.

 König Boleslaw V. von Polen hatte der Stadt Krakau das Magdeburger Recht gegeben; seit 1300 war ein Böhme König in Polen; Wladyslaw Jagiello berief zur Zeit der böhmischen Reformation böhmische Geistliche, unter ihnen auch Hieronymus von Prag, nach Krakau. Diese Ereignisse zogen eine Menge von Czechen ins Land. Unter diesen waren auch die Vorfahren Kopernik’s. In dem handschriftlichen Rathsbuche von Krakau: Acta consularia Cracoviensia, die vom Jahre 1392 anfangen, ist in der Reihe der neuangenommenen Bürger bei dem Jahre 1396 der Grossvater unseres Astronomen (mit den Worten Nicolaus Koppirnig) als aus Böhmen kommend angeführt mit dem Zusatze, dass der Czeche Dombrawa seit langem schon in Krakau ansässig für seine Abkunft sich verbürgt habe. Das böhmische Wort Koprnik, sprich Kopernik, welches in den Krakauer Stadturkunden bald Koppirnig bald Kopirnik, bald wieder Kopernik geschrieben ist, bedeutet im Böhmischen eine Pflanze, polnisch Koprownik, deutsch Bärwurz, bei Linné Seseli. Das Wort kommt von dem Stamme Koprnjeti, erdulden; daher Koprny, geduldig, demüthig, und Koprnik der Demüthige. Eine bessere Benennung

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/258&oldid=- (Version vom 22.1.2020)