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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

der uralisch-finnischen Bulgaren gebrochen, welche Mösien und die anliegenden Länder (um 680) eroberten, und gleich den Warjäger-Russen auf slawischem Boden ein kräftiges Reich stifteten, indem sie im Verlaufe von zwei Jahrhunderten mit den Urbewohnern in ein einziges Volk mit slawischer Sprache, Sitte und Religion, aber finnischem Namen verschmolzen. Das Christenthum, von welchem sich bereits um die Mitte des VII. Jahrh. deutliche Spuren unter der slawischen Bevölkerung des Bulgarenlandes zeigen, wurde von den herrschenden Bulgaren erst 861 nach der Taufe des Fürsten Boris angenommen und dadurch der letzte Unterschied zwischen den beiden Nationen verwischt. Trotz allem dem kam keine Festigkeit in das Reich; die Russen verwüsteten es fürchterlich, und die Griechen machten es endlich zu einem Theile ihres Reiches (1019). Dasselbe Schicksal traf auch die slawischen Völkerschaften, welche um diese Zeit in Macedonien, Thessalien, Hellas, bis in den Peloponnes hinab sassen. §. 30. Das von den Südslawen besetzte Land hat bei den griechischen Schriftstellern verschiedene Namen, von denen der slawische Sthlaḅinia, Slawenland, der wichtigste ist. Mit ihm wird theils das ganze Land vor und wenn er mit Bulgaria gleich bedeutend ist, auch nach dem Eindringen der Bulgaren, theils wieder ein kleiner Strich in Macedonien und den Gränzen Albaniens und Thessaliens bezeichnet, wenn nämlich Sthlabinia dem Bulgaria entgegengesetzt wird. Die slawischen Elemente in der moldauischen und wallachischen Sprache sind von den bulgarischen Slawen in sie gekommen, welche sich hier mit den alten Dakern und Geten und den Ueberresten der Römer zu einem neuen Volke vermischt haben. Die Szekler in Siebenbürgen scheinen fast magyarisirte Slawen zu sein. In der Wallachei war das Slawische lange herrschend, und bis in's XVII. Jahrh. hinein Kirchen- und Amtssprache (alle Hofämter hatten und haben slawische Namen). Die Mainoten scheinen zum grossen Theil aus den um Lacedämon angesiedelten Slawen in Morea entstanden zu sein. Die slawischen Ansiedelungen in Kleinasien, bei „Seleucia ad Belum“, Nicea (im Lande Opsicium), in Bithynien an der Artana, von denen sich Ueberreste noch bis zur Stunde erhalten haben, sind theils freiwillige Einzügler, theils Ueberreste slawischer Söldlinge in den griechischen Heeren. Zum Schlusse dieses Paragraphes wird noch die Frage: „Von woher die bulgarischen Slawen in die Donauländer gekommen?“ nach Gründen der Wahrscheinlichkeit dahin beantwortet, dass ihre Hauptmasse aus den nordöstlichen Reichen der alten Slawenheimath in Russland, aus den Gegenden am Ilmensee und den Flüssen Dwina, Dnjepr, Oka u. s. w., wohin Nestor seine Slawen, Kriwiczen, Wjaticzen, Radimiczen und Sjeweraner setzt, ausgegangen, und dass zu ihnen sich einzelne Familien aus den Mittelvölkerschaften, z. B. den Dragowiczen, keineswegs aber etwa die westlicheren Stämme, wie Serben, Chorwaten, Lechen oder Czechen gesellt haben. Noch als die bulgarischen Slawen in diesen Gegenden waren, mochte es geschehen sein, dass die uralischen Magyaren die slawischen Wörter, die wir jetzt in ihrer Sprache vorfinden, annahmen.

 4. Abschnitt. Die serbischen Slawen. Vom Kaiser Heraklius gegen die Awaren in Dalmatien aus Weisschorwatien und Weissserbien hinter den Karpathen herbeigerufen, breiteten sich diese Völkerschaften unter dem Namen Serben und Chorwaten gar bald (zwischen 634 und 638) über das ganze ehemalige Illyrikum aus (die allzugewagten Bestimmungen eines Pojaczewicz und Mikocy in Hinsicht der Zeit werden theilweise als grundlos erwiesen). Diese Weisschorwatien und Weissserbien ist aber nicht in Böhmen und den Lausitzen zu suchen, sondern ist das ehemalige Czerweno– oder Rothrussland, d. i. Ostgallizien und Wladimir, wo noch gegenwärtig der slawische Volksstamm der Bojken existirt. Gleich vom Anfange an theilten sich die Serben in 7 einzelne Staaten, an deren Spitze Zupane standen; einer von diesen behauptete stets eine gewisse Oberherrlichkeit, bis sie indess insgesammt von den Bulgaren-Car Simeon überwunden, und das Land nach Vertreibung der Einwohner verwüstet wurde (924). Nach dem Sturze der bulgarischen Herrschaft kommt Serbien unter die griechische Oberherrlichkeit, gegen die sich auflehnend es oft die blutigsten Kriege führt; wüthender noch sind

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/108&oldid=- (Version vom 3.11.2018)