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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Gelehrten Deutschlands aufmerksam machen auf die neue und oft ganz eigenthümliche Auffassung eines Gegenstandes, an dem sich die deutsche Wissenschaft lange Jahre, und nicht selten mit grossen Erfolg, ohne jedoch immer die Wahrheit zu finden, abgemüht hat.

2. Das fliegende Blatt.
Beitrag zur Geschichte des Kosakenaufstandes im Jahre 1648.
Aus dem Hebräischen übersetzt von
Dr. Jul. Fürst.

 Das hier in einer deutschen Uebersetzung mitgetheilte „Fliegende Blatt“ führt im Hebräischen, in welcher Sprache es ursprünglich niedergeschrieben wurde, den Titel: Megilla Afah, d. h. eigentlich die fliegende Schriftrolle, die fliegende Zeitung, wofür ich aber den passenderen Ausdruck: „das fliegende Blatt“ gewählt. Der Bericht selbst berührt den eigentlichen Aufstand der Kosaken in den Jahren 1648 u. 1649, und die Losreissung des Kosakenthums von der Herrschaft Polens, um unter dem Hetman Bogdan Chmjelnicki eine selbstständige Kriegerkaste zu bilden, entweder gar nicht oder nur oberflächlich, weil der Schreiber, welcher dieses fliegende Blatt an alle Judengemeinden Europa's sendete, nur die in Folge dieses Aufstandes ausgebrochenen Judenverfolgungen, wobei über 100,000 seiner Glaubensbrüder das Leben verloren, zu schildern beabsichtigte. Natürlich musste er dabei den Punkt bezeichnen, wo der Aufstand begonnen, die Züge der Kosaken von Stadt zu Stadt schildern, wo immer blutige Spuren unter den Juden zurückgelassen wurden; und diese und ähnliche beiläufige Bemerkungen sind eigentlich für die Geschichte des Aufstandes an sich die einzigen nützlichen Ergebnisse, wenn nicht die grosse Judenverfolgung, wie sie in der Geschichte der Slawen nicht wieder vorkommt, auch an sich von historischem Interesse wäre. Der Verfasser, welcher inmitten der Ereignisse lebte, hiess Sabbati Ben Mëir Kohen, und war aus Wilna gebürtig. Als einer der berühmtesten Rabbiner seiner Zeit, der durch grossartige Werke über das jüdische Ehe- und Civilrecht, so wie durch seine schriftstellerischen Arbeiten auf dem Gebiete des rabbinischen Judenthums schon vor dem Eintreten dieser Ereignisse einen grossen Namen hatte, besass er vollkommen das Recht, einen alljährlichen Fasttag zum Andenken an diese Calamität festzustellen und durch das hier übersetzte fliegende Blatt zu motiviren, so wenig auch ein historisches Talent ihn zur Beschreibung dieses Ereignisses befähigte, oder auch die gereimte Prosa, in welcher es geschrieben ist, ihn als einen guten Stylisten bezeichnen könnte. Ausser dem fliegenden Blatte, welches gegen Ende des Jahres 1649 geschrieben und versandt wurde, hat derselbe Verfasser noch Trauergedichte (Kinot) und Busslieder (Srlichot) in Bezug auf dieses Ereigniss geschrieben und mitversandt, wie er es selbst am Schlusse seiner Erzählung angiebt. Die Trauergedichte und Busslieder wurden schon 1651 zu Amsterdam in 8. gedruckt (bei Immanuel Benveniste), welchen das fliegende Blatt beigegeben wurde. Auf dem Titel heisst es ausdrücklich: nach dem lithauischen Ritual. Im Jahre 1671 wurden dieselben mit der Beigabe daselbst bei Uri Phöbos überdruckt, so wie später im Jahre 1702 zu Dyrenfurt in Schlesien. Ausserdem sind noch zwei Folioausgaben von diesen erwähnten Arbeiten Sabbati's vorhanden, nämlich eine vom Jahre 1651, die andere vom Jahre 1672, und zwar beide in Amsterdam gedruckt. Die hier mitgetheilte Erzählung ohne die Lieder wurde zu Amsterdam im J. 1700 der jüdisch-deutschen Uebersetzung des Geschichtsbuches Schebet Jehuda von Salomo Virga, und der hebräischen Ausgabe daselbst im Jahre 1709 beigedruckt, nach welcher letzten Ausgabe die hier folgende Uebersetzung gemacht ist. Für einen spätern Bearbeiter dieser Geschichte wird es vielleicht nicht ohne Interesse sein, wenn ich literarhistorisch alles das zusammenstelle,

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/113&oldid=- (Version vom 29.8.2019)