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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

dieses Festes; sie kamen in bestimmten Familien zusammen, sangen ihre Tischlieder, gaben einander Rätsel auf und erzählten die alten Sagen, die sie von ihren Müttern und Grossmüttern gehört.

 In den Städten Krestcy, Tichwin und Nowgorod nannte man die Kurzweiltreiber bei dem Weihnachtsfeste Okrutniki. Dort zogen vom Abend des 28. Decembers an alle Stände als Masken zu Fuss und zu Schlitten schaarenweise durch die Strassen der Stadt, um „ein Licht zu suchen.“ Stand nämlich in irgend einem Hause auf dem Fenster ein Licht, so bedeutete das eine Einladung; nahm man aber bei Jemandes Ankunft das Licht vom Fenster weg, so hiess das, der Angekommene könne seiner Wege gehen. In der Regel wurde da, wo „Erwählte“ wohnten, immer ein Licht ausgestellt, denn das zu unterlassen, wäre ein Schimpf für das Haus, für die ganze Familie gewesen. Der gewöhnliche Anzug einer Maske bestand: aus einem Kaftan von Matte, einem Kasakin von verschieden-farbigen Tuch- und Leinwandlappen, einem Handtuche, quer über die Schulter gebunden, mit einem grossen Messer daran, einer rothen Leibbinde mit einem hölzernen Jagdmesser. Ein besonderer Theil dieser Okrutniki waren die Rolniki, Rollenspieler, welche Histörchen und Mährchen erzählten und Volkslieder sangen.

 Das russische Weihnachtsfest in Turopka, einem Bezirksstädtchen im Pskower Gouvernement, behielt seine ganz eigene Benennung, Subbotki, Sonnabende, bei; eine Benennung, wie sie in vielen Gegenden Böhmens, Galliziens und an den Karpathen der östlichen Abdachung gebräuchlich ist; doch darf man aus der Gleichheit der Namen nicht auf die Gleichheit der Sache selbst schliessen. Die Subbotki von Turopka unterscheiden sich von denen der genannten Gegenden wesentlich durch die Gebräuche, die das Volk an denselben hat. Bei den Subbotki spielen die ehrbaren Wittwen von Turopka, bekannt durch ihre tadellose Aufführung, die Hauptrolle. Die Ceremonie des Festes ist etwa folgende. Milten in dem Zimmer wird eine farbige Laterne von Papier, mit Bändern geschmückt, aufgehängt. In dieser Laterne brennen einige Kirchenlichter. Vor Alters wurden diese Lichter als Geschenk von den Mädchen den Wittwen in das Haus gebracht: und damit hatte es sein eigenes Bewandniss. Das Mädchen, dessen Licht, am längsten brannte, hatte das längste Leben von allen zu erwarten. Wenn das Licht ruhig und gleichmässig fortbrannte, so stand dem Mädchen ein ruhiges, zufriedenes Leben bevor; flackerte aber Jemandes Licht wild auf, so hatte das Mädchen Unglück, Unzufriedenheit im Ehestande zu fürchten. Das gab nun ein grosses Fest. War bei einer Wittwe eine beträchtliche Anzahl von Lichtern zusammen gekommen, so lud sie alle die Mädchen und eine zahlreiche Gesellschaft anderer Gäste ein, um das Niederbrennen der Lichter anzusehen. In einem grossen Halbkreise wurden auf der einen Seite des Zimmers Reihen von Bänken bis zur Decke hinauf errichtet, auf welchen die Mädchen sassen, die ihre Lichter brennen liessen. Auf der entgegengesetzten Seite standen Bänke für die Männer, in der Mitte hing die Laterne und um sie herum waren die übrigen Lichter aufgestellt.

 Gegen Abend nun versammelten sich die jungen Turopkerinnen in dem Hause der Wittwe zu den Subbotki, glänzend in dem prächtigen, uralten Nationalputz. So lange die Zusammenkünfte, das Aufstellen der Lichter und die übrigen Vorbereitungen dauerten, wurde das Thor fest zugeschlossen und bekam auch nicht ein einziger Mensch die Erlaubniss zum Eintritt. Nach Beendigung aller Zurüstungen fingen die Mädchen an, festliche Lieder zu singen. Da erst wurde das Thor geöffnet und nun traten die unverheirateten Männer, einer nach dem andern ein. Mit Preisgesängen gingen die Mädchen den Männern entgegen, und wurden nun für diesen Preis von jedem Manne reichlich beschenkt. Die erhaltenen Geschenke wurden von den Mädchen der Wittwe gegeben, theils für die vielen Mühen und Sorgen, theils auch, damit sie das Dargebrachte auf ihren eigenen Putz verwende. Verheiratete Männer und Frauen hatten nicht das Recht, den Subbotken beizuwohnen; sie durften nur aus einem andren Zimmer oder von der Gasse aus durch’s Fenster ihnen zusehen. Doch fängt man an von dieser Regel

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/130&oldid=- (Version vom 29.9.2019)