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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Ungarns nur durch die je frühere Begründung eines ehrenwerthen Mittelstandes möglich werden kann; der jetzt vorhandene ist aber durchaus deutsch. Der Journalist gesteht das selbst ein: „Woher, fragt er, können wir am ersten jenen Mittelstand zu erhalten hoffen? aus den Bürgern der königl. Freistädte; dass aber dieser Mittelstand ein ungarischer sein müsse, und kein anderer sein dürfe — dies brauchen wir hoffentlich nicht erst zu beweisen. Unsere Städte sind aber dem grössten Theile nach noch deutsch, und zwar so deutsch, dass sie kaum noch irgend ein Merkmal der Magyarisirung verrathen (in Pressburg z. B. ist jedes dritte Jahr Landtag, und die ganze Kraft des Magyarismus, der sich von Zeit zu Zeit in seinen Mauern versammelt, glitt erfolglos an dessen Einwohnern ab); die Industrie in unserm Vaterlande ist deutsch, der Handel seinem Wesen nach deutsch und muss es (wie dies der Verf. der „Ansichten über die Angelegenheit des Zollvereins“ ausdrücklich zugibt) durch den Anschluss an den deutschen Zollverband natürlicherweise noch immer mehr werden; und so würde denn aus diesem Anschluss unausweichbar folgen, dass unsre deutschen Städte, unsre deutsche Industrie, unser deutscher Handel nie und nimmermehr ungarisch würden. Und darum wäre unsre Nationalität gefährdet, nicht weil der Ungar zum Deutschen würde, sondern weil die Magyarisirung der deutschen Bürgerschaft (!!) unserer Städte und mit ihr die Begründung eines ungarischen Mittelstandes verhindert würde. Nein, nein! zu solchen Experimenten sind wir noch nicht stark genug.“ Und dieser Grund allein ist hinreichend, dem magyarisirungswüthigen Kossuth jede Verbindung mit Deutschland für einen Bund mit der Hölle ansehen zu machen. Und einen andern gibt es eigenlich in der That nicht. Auch Kossuth ist sich dessen wenigstens dunkel bewusst. Denn um den nur aus nationaler Rücksicht verworfenen Anschluss an Deutschland auch bei denen, welche von der magyarischen Nationalität mit ihm nicht gleiche Ansichten haben (und deren sind in Ungarn, selbst unter den Magyaren ausserordentlich viele), verdächtig und unerwünscht zu machen, beantwortet er im 4. Artikel die Frage: „ob ein solcher Anschluss in national-ökonomischer Weise wirklich irgend einen dauernden Vortheil verspreche?“ absichtlich mit Nein! und stellt die Sache in einem ganz schiefen Lichte dar. Der Anschluss, sagt er, würde die Begründung einer Manufacturindustrie in Ungarn für alle Zeit unmöglich machen. Wir fragen: sollten denn durch den so erweiterten und guten Markt der ungarischen Rohprodukte nicht bedeutende Capitalien mehr dem Lande zufliessen und so die Manufacturthätigkeit anregen? Würden bei der ungemeinen Wohlfeilheit der Nahrungsmittel nicht selbst deutsche Capitalien nach Ungarn gehen, um da in Fabriken zu wirken? — Der Anschluss würde zweitens auch für die ungarischen Produkte keinen weitern Markt eröffnen, meint der Journalist; denn der Zollverein hat selbst Ueberfluss an Getraide, und Schlachtvieh wird immer noch zahlreich ausgeführt. Würde denn aber, da durch den Anschluss an Deutschland die Verbindung in Kurzem ausserordentlich vermehrt und erleichtert werden würde (woran gewiss kein Zweifel), Deutschland nicht gern das viel wohlfeilere ungarische Schlachtvieh und Getraide, das ja nach unseres Journalisten eigenem Geständniss in guten Jahren gar keinen Käufer findet, consumiren und sein theureres an England u. s. w. ablassen, und so auf die so wünschenswerthe Hebung und Vervollkommnung der noch „sehr zurückgebliebenen“ Agrikultur Ungarns die thätigste Rückwirkung äussern? In viel höherem Grade gilt das noch von der Wolle. Und was sollen wir vom feurigen Ungarwein und vom Tabak sagen? Diesem letzteren gesteht der Journalist zwar einigen Vortheil zu; allein da kommt er wieder auf „seine Nationalität“ zurück, „vor der jede andere Rücksicht weichen muss“; denn dann würde man ja die Deutschen in den Freistädten nicht zu magyarisiren im Stande sein. Und vor den Deutschen scheint er eine besondere Angst zu haben, denn er wirft die Frage auf: „Wäre es nicht eine keineswegs zu rechtfertigende Selbstüberschätzung, eine grundlose Tollkühnheit, sich nicht mit dem slawischen Gegner zu begnügen, sondern noch als Stütze des in unserm Vaterlande sehr gewichtigen deutschen Elementes, uns den nationalsten

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/134&oldid=- (Version vom 3.10.2019)