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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Zustand des wackern und mächtigen deutschen Volkes freiwillig auf den Hals zu laden, ehe bei uns daheim die Nationalität — ich will nicht sagen festgewurzelt, sondern an vielen Orten nur der Same dazu gestreut worden ist?“ — Später einmal, nun da will er schon noch sehn, was sich thun lässt. — Für jetzt findet der Journalist nur einen Anschluss an Oestreich wünschenswerth, fodert dafür aber freilich, dass Oestreich sich gegen Deutschland abschliesse. — Bei solchen Gesinnungen bleibt natürlich das Votum von Kossuth ohne alles Gewicht; wer so blind für die Interessen eines einzelnen Theiles eingenommen ist, ist nicht befähigt, eine Sache von so grossartigem und das Wohl oder Wehe des ganzen Landes in ihrem Schosse beherbergenden Folgen allseitig zu würdigen, noch viel weniger über sie abzusprechen. Die Verhältnisse müssen aus einem ganz andern Gesichtspunkte erwogen werden, als aus dem nationalen. Wir wissen freilich, wie man an der Donau gegenwärtig fast keinen andern Gesichtspunkt kennt; aber desto gespannter warten wir auf den nächsten ungarischen Landtag, der noch in diesem Jahre eröffnet werden soll. Wir wollen sehen, ob die Landesrepräsentation und die Regierung eine so verächtliche, alles Rechtes bare Gesinnung billigt, oder nicht.



V.
Literatur und Kritik.
1. Broschüren-Literatur über Ungarn.

 Die mit rascher Kraft sich emporarbeitende Nationalität der Magyaren in Ungarn hat die bestehenden Verhältnisse dermassen in Unordnung gebracht, und die ungeheueren Umwälzungen, die seit den letzten zwei Decennien geschehen, eine solche Menge von Stimmen pro und contra aus ihren Schweigen emporgerissen, dass es dem der Sache etwas ferner Stehenden oft schwer wird, nur aufzufassen, was hier Alles vorgeht; viel schwerer noch, ja fast unmöglich, sich ein klares Urtheil darüber zu bilden. Die Partheien sind sich selbst noch nicht ganz klar, wohin sie wollen; das zeigt sich aus der Masse der oft groben Widersprüche der einzelnen Corypheen derselben. Dass unter solchen Umständen die Magyaren, bei denen nicht bloss die politische, sondern auch die pekuniäre Uebermacht ist, am schnellsten sich ihrem Ziele nähern, kann um so weniger befremden, als ihnen auch noch die künstlich erregte und stets vermehrte Furcht vor der Anhänglichkeit der ungarischen Slawen an Russland (?) auch wenigstens früher höheren Ortes zu Hülfe kam.

 Da die bei weitem überwiegende Anzahl der Bewohner Ungarns slawischen Stammes ist, und bei jeder Bewegung im Lande das slawische Interesse im höchsten Grade betheiligt wird: so halten wir es für unsere Pflicht, auch Ungarn mit allen seinen verschiedenen Nationalitäten (da sie denn nun einmal ein Ganzes, als Staat, bilden) in das Bereich unserer Jahrbücher zu ziehen.

 Eigenthümlich mag es erscheinen, dass in neuester Zeit so viele einzelne Schriften über Ungarn in deutscher Sprache erschienen sind. Bei den Deutschen haben beide Partheien sich zu vertheidigen, zu rechtfertigen, das Interesse der deutschen Literatur für sich in Anspruch zu nehmen gesucht. Der Grund davon liegt theils in der Achtung, welche alle Partheien gegen die deutsche Wissenschaft haben, theils in dem Umstande, dass die Kenntniss des Deutschen in Ungarn sehr weit verbreitet ist, und endlich und vorzüglich in dem Hasse der zwei Hauptpartheien gegen einander, welcher sie überzeugt sein liess, dass ihre gegenseitigen Streitschriften von der andern Parthei nicht gelesen würden, eben weil

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/135&oldid=- (Version vom 3.10.2019)