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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

statt finden mag.“ So fodert er z. B. für die Eisenbahn „jährlich einige Millionen.“ Freilich müsste dann die Douane in Fiume „nach dem Interesse der ungarischen Handelsinteressen“ modifizirt werden. Diese Kleinigkeit haben die Ungarn nach dem Ausspruche des Verfassers „ein unbestreitbares Recht“ zu fodern; sonst würden sie anfangen, „lebhafter daran zu mahnen, dass wir ein constitutionelles, ja beschworenes Recht haben, die Wiedereinverleibung Galiziens, Dalmatiens und Siebenbürgens in den Complex der königlich ungarischen Länder zu verlangen (und weiter nichts?). — Es kommt nur darauf an, dass wir diese unsere, gewiss nicht übertriebene (? ei! ei!), nicht unbillige (!) Forderung zur Conditio sine qua non (nun und was folgte? Steuerverweigerung? oder gar Losreissung? Brechung der „Treue und Anhänglichkeit bis in den Tod? bis zum letzten Lebenshauche?“) machen, und bei edler, fester Beharrlichkeit werden wir auch zuverlässig unsere Absicht erreichen (wenn nämlich das Wiener Cabinet blind oder eine Memme wäre). Das Aufheben der östreichisch-ungarischen Zolllinie stellt der Verf. als zwar für Ungarn an sich wünschenswerth, aber für Oestreich selbst vernichtend und somit unmöglich dar. Indess werde übrigens, so schliesst der Verfasser, das blödeste Auge einsehen und einräumen, dass der jetzige Zustand der Dinge ein vollkommen unerträglicher ist. Er bewirkt eine systematische Schwächung und Erschlaffung der nationellen Lebenskräfte, da er sie vermöge ihrer natürlichen Intensität nicht ganz zu ertödten vermag. — Eine Ansicht, welche von den meisten unterrichteten Männern des Landes getheilt wird, besteht darin, dass mindestens die Hälfte aller im Lande consumirten Fabrikate aus den östreichischen Provinzen eingeführt werde, und dass wieder mindestens die Hälfte derselben aus ungarischen Rohprodukten erzeugt sei. Wenn nun der Verfasser noch die Hoffnung ausspricht, man werde es nicht leugnen, dass seine „Tendenz aus edler Quelle strömt“; so sind wir weit entfernt, das Schöne und Erhabene in den Bestrebungen der magyarischen Patrioten nicht anerkennen zu wollen. Ungarn soll gross und herrlich aufblühen! Das ist auch unser herzlicher Wunsch und der unserer slawischen Brüder auf beiden Ufern der Donau, die sich in den geringen Wirkungskreisen, die man ihnen noch belassen, gewiss redlich bemühen werden, Alles beizutragen zu der Grösse des geliebten Vaterlandes. Allein wenn der Verfasser seine Grundsätze über Nationalität und das Absorbirtwerden aller Individualitäten Ungarns durch den Magyarismus verficht, wenn er jedes Aufblühen des Vaterlandes nur dann gut heisst, wenn es für das Magyarenthurn erspriesslich ist, und das Erheben jeder anderen Völkerschaft in den Koth tritt und als staatswidrig darstellt: dann vernichtet er unsere ganze Achtung für ihn mit einem Schlage; wir sehn in ihm nichts als den blinden Fanatiker, der Recht und Gesetz mit Füssen tritt, der für die Gefühle der Humanität erstorben, die Moralität und den alten ehrwürdigen Charakter ganzer Nationen untergräbt, aus Egoismus, aus Liebe für sich und den Gegenstand, den er verficht. Verrath an der Sache der Menschheit, Verrath an dem Glauben und der Sittlichkeit, Verrath an dem Höchsten und Heiligsten, was die Menschheit[WS 1] hat, an Recht und Wahrheit, ist es, einem Volke seine Nationalität gewaltsam zu nehmen und es zu einem Zwittergeschlecht zu machen, todt für jede höhere Idee, abgestorben für alles Grosse, Wahre und Schöne. Und das wird jede Nation, der man eine fremde Individualität aufzwingt, und bleibt es Jahrhunderte lang. Noch ein Mal: Achtung und Segen dem Magyarenthum, wenn es in seinem Innern sich kräftig entwickelt: aber Schmach und Fluch, wenn es seine Gränzen übersteigt!

 2. Ungarische Wirren und Zerwürfnisse. Leipzig, Otto Wigand. 1842. — Ganz im entgegengesetzten Sinne von dem vorigen Buche geschrieben. Der Verfasser gibt zwei Hauptursachen der Wirren und Zerwürfnisse in Ungarn an, den Sprachenkampf und den Religionskampf. Der Druck der magyarischen Parthei auf alle anderen Nationalitäten sei in der That furchtbar; die Absicht, jede andere Völkerschaft zu vernichten, stehe klar

Anmerkungen (Wikisource)

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/138&oldid=- (Version vom 6.10.2019)