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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

wahr, ob die Motive der Personen, die hier handelnd angeführt werden, immer aus reiner Quelle oder nur aus Ueberzeugung geflossen, ob alle Data historisch wahr oder nur moralisch wahrscheinlich sind: das Alles sind wir natürlich nicht im Stande zu beurtheilen, da wir der Sache von jeher viel zu fern standen, um in die geheimen Irrgänge dieser sich gegenseitig zerfleischenden Partheiungen eindringen zu können. Doch können wir nicht umhin, nach reiflicher Erwägung des Gelesenen uns überzeugt zu halten, dass vieles, vieles übertrieben, manches rein erfunden sein müsse. Einzelnen Behauptungen mangelt in der That alle Wahrscheinlichkeit; so viel Unbesonnenheit, so viel moralische Verderbtheit, wie hier zusammen wirkend dargestellt wird, scheint uns ein Ding der Unmöglichkeit. Eben so wenig können wir uns entschliessen, die folgenden 62 „Dokumente zur Gesch. der poln. Emigration“, wie sie der Verf. nennt (von S. 143—346), für durchaus ächt und unverfälscht zu halten. Unser Herr *r verwahrt sich zwar dagegen, indem er jeden Zweifelnden in die Reihe jener wirft, „denen wir die letzte Trutzwaffe entwunden, denen wir — so zu sagen — die Blösse aufgedeckt haben“ (wie fein und zart gesagt!). Auch sagt er ausdrücklich, solche „Einsprüche liegen in der Natur der Sache.“ Aber er setzt gleich hinzu: „Auf keinen Fall werde er indiscret sein und die, welche ihn in den Besitz der Papiere gesetzt, den Händen ihrer Widersacher, den Dolchen von Meuchelmördern (! —) überantworten.“ Solche Ausdrücke meint der Verfasser rechtfertigen zu können? Die Polen haben gefehlt, aber sie sind nicht Meuchelmöder gewesen. — Seine Worte zeugen klar genug, dass er auf keine ehrenhafte und rechtmässige Weise zu jenen Papieren gekommen ist; das steht fest. Wie ein Spion kennt er alle geheimen Schliche seines Gegners und scheint ihm Schritt für Schritt auf der Ferse zu folgen. Wie ist er zu der Kenntniss aller, selbst der geringsten Einzelnheiten gekommen? Hatte er einst mit zu jener Fahne geschworen, die er jetzt in den Koth tritt? Oder ist er wenigstens der Helfershelfer eines Verräthers?


 Blicke in die vaterländische Vorzeit von Karl Preusker. Leipzig 1843. 2. Bdch. 241 S. mit 3 Steindrucktafeln.

 Der Verfasser dieser Schrift sucht dem deutschen Volke durch Darbietung besserer Kost die alte, in Deutschland zumal wahrhaft giftig wirkende Romanleserei zu verleiden. Er hat sehr richtig erkannt, dass geschichtliche Erzählungen dem Volke am meisten zusagen würden, zumal Erzählungen aus der Geschichte des eigenen Vaterlandes. Es sind hier jedoch keineswegs die gewöhnlichen Geschichtserzählungen für Schule und Haus gemeint, welche in hundert verschiedenen Ausgaben Deutschland überschwemmen und als gewöhnliche Fabrikwaare nur geringen Nutzen zu schaffen im Stande sind, vielmehr sind hier in edler, gefälliger Sprache, welche dem höher Gebildeten ebenso mundet wie dem gewöhnlichen Manne aus dem Volke, die Resultate fast vierzigjähriger Forschungen des Verfassers über die Geschichte der Lausitzen, seines Vaterlandes und der benachbarten Provinzen, Meissen, Brandenburg und Schlesien, mitgetheilt. Wir gedenken dieses Buches hier nur darum, weil es auch für die slawische Wissenschaft manches Neue bietet und insofern es auch die Beachtung slawischer Forscher verdient. Des ersten Bändchens, welches dem Referenten eben nicht vorliegt, wird später gedacht werden; wir geben hier bloss die slavica im zweiten Bändchen an.

 Sehr wichtig auf langjährige eigene und unpartheiische Anschauung begründet ist der §. 26 des zweiten Bändchens: „Die Sorbenwenden in der Ober- und Niederlausitz.“ Es ist darin fast alles zerstreute Detail mit vielem selbst Beobachteten geordnet zusammengestellt. Unstreitig seit Hortschanskys Zeiten die beste Abhandlung über diesen Gegenstand. Sodann §. 27: „Ringwälle und älteste Bewohnung der Gegend um Camenz und Budissin und der letzteren Stadt Belagerung im Jahre 1005.“ Ebenso §. 28: „Der Sibyllenstein, Protschna und Flinsstein“; §. 20: „die schlesisch-lausitzischen Gebirgsmundarten und die früheren Bewohner des östlichen Deutschlands“ (mit Dialect-Proben); 22: „früheste Schulz-

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/146&oldid=- (Version vom 18.10.2019)