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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

 Ausser dem „Rok 1843“, von welchem wir oben eine Inhaltsanzeige gaben, wird in Posen auch noch ein anderes Unternehmen ähnlicher Art angekündigt. Es soll den Titel „Lech“ führen und vom Anfange dieses Jahres an von der Redaction des „Tygodnik“ in einzelnen Heften, jedoch so ausgegeben werden, dass jährlich zwei Bände, jeder zu 20 Bogen, erscheinen. Die Schrift ist, nach der Ankündigung, dem fortschreitenden Nationalleben gewidmet, und wird enthalten: Abhandlungen im Betreff des socialen Lebens überhaupt, theologische, politische, historische, philosophische, juridische und administrative Abhandlungen; Kritiken der neuesten polnischen, deutschen, französischen, englischen (von böhmischen, illyrischen, russischen nichts?) Werke, welche die oben angeführten Gegenstände besprechen; die wichtigsten Zeitereignisse mit angehängten Betrachtungen. — Der Pränumerationspreis auf 6 Hefte oder einen Band beträgt 3 Thaler.

 Von den Gedichten des Oberschlesiers Lompe, deren erster Band so viel Aufsehen machte und das nationale Gefühl für das Polenthum in jenen Gegenden zu so lebendigem Bewusstsein brachte, ist eben der zweite Band erschienen.

 Eine der thätigsten Buchhandlungen in Posen ist gegenwärtig die sogenannte: Neue Buchhandlung, Kamienski u. Comp. Die von derselben herausgegebene Zeitschrift: Dziennik domowy, Hausblatt, ist rein auf gebildete Unterhaltung und Belehrung berechnet; sie bringt daher vorzüglich Novellen, aber diese sind gut; die Namen der Verfasser derselben bürgen schon dafür, Goszczynski, Siemienski. Neben ihnen stehen sociale Abhandlungen von Dr. Libelt, so wie die Berichte über die im Dzialynskischen Palais gehaltenen polnischen Vorlesungen. Besonders interessant waren im Jahrgange 1842 auch die Nachrichten über die Vorlesungen von Mickiewicz in Paris, die regelmässig auf einander folgten. Die Berichte über Moden und die Modenkupfer sind freilich eine an sich unnütze, aber dem gegenwärtigen Geschlechte nun ein Mal unumgänglich nothwendige Zugabe, die von allen Seiten gefodert wird. — Ein viel ernsteres Unternehmen ist der „Rok 1843“ über den wir oben berichteten. — Sehr interessant sind: Die Geschichte der polnischen Republik bis zum XV. Jahrhunderte, von Andr. Moraczewski und Król Zamczyska: der König des Schlosses, eine Erzählung von Sew. Goszczynski. Ueber beide Schriften sprechen wir im nächsten Hefte ausführlicher. — Für dieses Jahr sind angekündigt: Switezianka, dramatische Phantasie von Luc. Siemienski; Muzamerit oder Erzählung bei Mondschein von dems.; Poesien von Berwiński, und endlich: Philosophie der schönen Künste von Dr. K. Libelt, von welchem bereits eine vortreffliche Arbeit dieser Art in der Bibl. Warsz. stand.

 Die Gesellschaft zur Druckbeförderung von streng wissenschaftlichen und klassischen Schriftwerken in böhmischer Sprache in Prag, deren Mitglieder, Stalcy, d. i. beständige Abonnenten genannt, und gegenwärtig wohl über 300 an der Zahl, sich verpflichtet haben, jedes in jenen Bereich gehörige Buch zu kaufen, tritt gegenwärtig nach mehrjährigem, bescheidenem Wirken im Stillen in das Gebiet der Oeffentlichkeit und fängt an, selbst Werke der bezeichneten Art zu verlegen; der beste Beweis von innerer Kraft und Entschlossenheit. Sie besitzt eine eigene Kanzlei in Prag und hat es unternommen, die Classiker aller Zeiten und Völker in guten Uebersetzungen herauszugeben. Der Anfang wurde mit Shakespeare gemacht, dessen Werke indess ein besonderer Verein von Bühnenfreunden in Prag zu verlegen übernahm. Othello, übersetzt von J. Maly, ist bereits erschienen und ein zweites Stück befindet sich unter der Presse. Ausserdem wurden Thomson’s Jahreszeiten, böhmisch von Fr. Daucha, versendet. Die Direction fordert in einem Aufrufe zur Theilnahme auf und schliesst ihre Worte mit folgenden, kräftigen Ausdrücken: „Die Zeit bringt alles an das Tageslicht, und das Wahre und Gute und Schöne werden gewiss immer siegen, wenn auch jene ewigen Grundpfeiler eine längere Zeit und Ausdauer und Anspannung aller geistigen und weltlichen Kräfte erfoderten. Ein Volk, das seine Lebensbestimmung wenigstens gewisser Massen verstehen gelernt hat, entwickelt eine überaus reiche Fülle von früher ungekannten Kräften; und wenn sie dieselbe erreicht, so klatscht die ganze Welt aus voller Seele ihren reinhumanen Bestrebungen Beifall zu. “

 Die Mährischen Volkslieder wurden bereits von H. Fr. Suschil in zwei Bändchen (1840 und 1841, wenn wir nicht irren) herausgegeben. Jetzt sammelt ein H. Lelek in Hulczin (?) eine Nachlese unter den Mähren in Schlesien.

 Die Zahl der sogenannten Gründer der Matice ceská (als solche werden alle jene angesehen, welche im Verlaufe von 5 Jahren die Summe von 50 Fl. C. M. erlegen) hat im Verlaufe des Jahres 1842 um ganze 100 Personen zugenommen.

 Der bekannte Dichter S. Hněwkowsky, einer der ältesten und ersten Dichter in der neuerwachten böhmischen Literatur, hat so eben in seinem 73. Lebensjahre ein Gedicht in neun Gesängen vollendet und zum Druck fertig gemacht, das den Titel: „Doctor Faust“ führt. Es ist diess eine neue, aber selbstständige Bearbeitung der berühmten Sage.

 Lažecznikow’s ausgezeichneter (russischer) Roman: das „Eishaus“ wird in’s Böhmische übersetzt; deutsch ist er schon erschienen.

 Nach einem Berichte der deutschen Agramer politischen Zeitung ist es der illyrischen Nationalzeitung durch ein Hofdekret verboten worden, sich ferner „illyrisch“ zu

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/165&oldid=- (Version vom 7.11.2019)