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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

subordinirtes Element; nur die Feigheit und Schwachheit der Slawen kann ihn zur Priorität verhelfen.

 Neben der Verpflichtung gegen Krone und Constitution sind wir hauptsächlich schuldig, unsere Nationalsprache zu lieben. Jene süssen Laute, die wir mit der Muttermilch einsogen, jene Laute, in denen wir zu reden anfingen, in die wir unser kindliches Gefühl am ersten einzukleiden wagten, jene Laute, welche die Bilder unserer Jugend-Phantasien auffassten, jene Laute kann kein Mensch lassen, ohne sein besseres Selbst zu verkaufen, zu verspielen, zu verprassen und zum elenden Schatten nachgeahmter Truggestalten zu werden! So wie die ewige Seele mit ihren Glanzpunkten der Vernunft den Menschen zum Menschen stempelt, eben so markirt der Nationalcharakter den Menschen in dem, was für ein Mensch er sei.

 Mit dem Wesen des Menschen hängt die Religion, in der er aufgewachsen ist, innig zusammen; sie knüpft uns an die unsichtbare Welt, sie führt uns durch die Stürme des Lebens auf den reinen Weg der Tugend. Jeder halte an seinem Glaubensbekenntnisse fest, keines leitet den Menschen zum Bösen.

 Die Nationalsitten und Gebräuche sind jene Bande, die uns an die Eigenthümlichkeit unserer Vorältern knüpfen; sie geben uns einen besondern, uns vor allen übrigen auszeichnenden Typus. In den Sitten und Gebräuchen einer Nation liegt der Keim so mancher Nationaltugend, Stärke und Originalität.

 Zur Befestigung, zum höheren Aufschwunge der Nationalität trägt die Nationalkleidung unstreitig viel bei. Freilich haben sie gegenwärtig fast nur noch die untersten Stände beibehalten; allein gewiss zum grössten Schaden der Nation selbst. Denn der gebildete Theil derselben soll und darf sich nie, wenn er wahrhaft patriotisch ist, vom niedern Theile entfernen; eine Annäherung in dieser Hinsicht ist auch ein Band, welches die Aristokratie mit den unteren Klassen verbindet.

 Die Nationalfreiheiten und Gerechtsame sind Hauptbedingnisse des politischen Lebens; sie sind ein Schild, unter dessen Schutze jedes Volk zu seinem Ziele schreitet. Der Sinn, die Vorliebe, mit welcher ein Volk seine Freiheiten und Rechte behauptet, sind das sicherste Zeichen seiner Kraft. Jede Nation, die Freiheiten einbüsst und Rechte verliert, ist im Sinken begriffen.

 Die Magyaren sind wahrlich eine Nation, die ihre Lage nicht kennt, die nicht versteht, was der Zeitgeist von ihr verlangt. Etwa das, dass sie ihre Sprache verbreiten sollen? Ist der Staatszweck dadurch gelöst, ist das das alleinige beglückende Princip? Besteht in der Einheit der Sprache das Glück einer Nation? Muss man diese Einheit mit solchen Mitteln erzielen, die Abneigung und Hass und Zwietracht und alle Furien der Hölle dagegen anfachen? Das sind lauter Fragen, die man mit Nein beantworten muss. Ich glaube vielmehr, dieses Glück besteht in der Einheit der Gesinnungen, der Interessen, die die Staatsbürger an die Verfassung knüpfen. Man kann eins denken, gut denken, und dasselbe für einen und denselben Zweck thun, den ein anderer hat, wenn er es auch nicht in derselben Sprache gedacht hat. Will Ungarn, wie es auch muss, vorwärts schreiten, so hat es fürs erste nichts zu thun, als Mittel zu wählen, die zur Cultur des Volkes führen; es muss sich ein Volk schaffen, und das nicht dadurch, dass es seine Zungen zustutzt, sondern dass es ihm einen reinen Sinn verschafft. Wir sehen ja in praxi, was für einen Effekt das Magyarisirungssystem hat; es macht einen Krieg im Lande, der wahrlich nicht zur Cultur, wohl aber zum Untergange des Staates und dem damit verbundenen Falle der Magyaren führt. ... Immerhin, den Slawen droht keine Gefahr, und wenn eine droht, so wird sie sie lehren, sich näher an einander zu schmiegen, und da giebt es viele Millionen, nicht ein Paar, wie bei den Magyaren!

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/179&oldid=- (Version vom 3.11.2018)