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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

2. Aktenstücke,
die Anwendung der magyarischen Sprache betreffend.

 a. Die Deutsche Pressburger Zeitung vom 12. Mai 1840 enthält eine Repräsentation der Landstände an Se. Majestät den Kaiser in Hinsicht der magyarischen Sprache, deren Eingang so lautet: „Die engere Verbindung der Staatsbürger eines Landes, das Nationalleben, die gesetzliche Freiheit und Unabhängigkeit und die hieraus entstehende Wohlfahrt des gesammten geselligen Lebens werden überall für ein Hauptergebniss des sich ausbreitenden und aufblühenden Zustandes der Nationalsprache anerkannt, da ohne diese die Nation nicht lebt, sondern nur kümmerlich sich erhält, bis sie endlich untergeht. Jahrhunderte hindurch hielt die todte lateinische Sprache die Wohlfahrt, den Kunst – und wissenschaftlichen Aufschwung der Nationen gefesselt, bis endlich Europa und alle cultivirten Nationen diese Fesseln abschüttelten. Ihr Fortschreiten beweiset, dass die warme Anhänglichkeit an die Nationalsprache die belebende Wurzel des Nationalglückes ist, dass diese allein in der Gesetzgebung und bei der Staatsverwaltung angewendet werden muss.“ – Dagegen hätten wir nur das einzuwenden, dass die magyarische Parthei vor den Augen der Humanität sich hier selbst der sträflichsten Unmoralität und der gewissenlosesten Tyrannei anklagt; denn indem sie anerkennt, dass es nur durch Cultur der Nationalsprache möglich wird, die Wohlfahrt einer Nation zu erzielen, schämt sie sich nicht, vor den Augen der Welt die Foderung aufzustellen, in Ungarn solle die Sprache der 4 Mill. Magyaren eine ausschliessliche Pflege finden, der Sprache der andern 7 Millionen aber alle Sorgfalt entzogen (ja sie sogar ausgerottet), und dadurch die Völkerschaften, welche in ihr ihr einziges Bildungsmittel haben, gewaltsam in Rohheit und Niedrigkeit herabgedrückt werden. – In der Folge heisst es in jenem schönen Dokumente des magyarischen Liberalismus weiter: „Die ungarische Nation verehrt alle jene Verfügungen (welche die Regierung zu Gunsten der magyarischen Sprache erlassen): allein mit dem bisher Geschehenen sind die Wünsche der Nation nicht befriedigt, und Manches ist noch nicht erreicht, was eine freie und getreue Nation von ihrem Landesfürsten zu erbitten sich berechtigt sieht. Ueberzeugt, dass wir in Betracht unser selbst, des Vaterlandes und der einst unsere Thaten richtenden Nachkommenschaft streng verpflichtet sind, das theuerste Nationalkleinod, die ungarische Sprache, mit unermüdetem Eifer zu cultiviren und zu verbreiten (wo steht das geschrieben?), können wir von der Wiederholung unserer diessfalls vorgelegten, gerechten Bittgesuche niemals abweichen.“ – Dem zu Folge werden nun folgende Anträge gemacht: 1) Es sollen auch die Erzherzoginnen des Kaiserhauses in der ungarischen Sprache vollkommenen Unterricht erhalten (die Erzherzöge sind bereits dazu verpflichtet); 2) das Regale, alle königlichen Resolutionen und Rescripte, wie auch die Gesetze (welche bisher sämmtlich in der lateinischen Sprache als Originalien galten) sollen künftighin bloss in ungarischer Sprache abgefasst werden; übrigens wäre es ja nicht thunlich, dass die ungarischen Gesetze (einmal in magyarischer Sprache abgefasst) noch in eine andere, namentlich die lateinische Sprache, übersetzt würden. (Auf diese Weise soll es bloss den Magyaren möglich sein, das Gesetz vollständig kennen zu lernen und darnach zu leben, und der Staat, weit entfernt, es selber und aus Staatsmitteln zu veranlassen, dass 7/11 der Staatseinwohner das Gesetz kennen, wird sogar aufgefodert, dieses den Deutschen und Slawen unmöglich zu machen. Und dennoch soll der Slawe und der Deutsche nach diesem Gesetze gerichtet und nota bene! bestraft [wobei der magyarische Beamte gewiss die ganze Strenge des Gesetzes in Anwendung bringen wird] werden). 3) Selbst die königl. Hofkanzlei soll in ungarischer Sprache amtshandeln; bei allen geistlichen, Civil- und Gerichtsbehörden sollen die Rechtsstreitigkeiten von da an ausschliesslich in derselben Sprache verhandelt werden. (Und diess fodert dieselbe Parthei, welche Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens, welche eine Jury verlangt? – Welch eine zahllose

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/180&oldid=- (Version vom 3.9.2019)