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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Es war bestimmt, dass seit Anfange dieses Jahres (1843) in allen Protokollen, so wie in den Richtersprüchen bei dem mündlichen summarischen Process, der in Ungarn üblich ist, durchweg und ausschliesslich die magyarische Sprache eingeführt werden sollte. Das Jahr 1842 ging zu Ende; da ermannte sich die Genanntschaft und schloss ihre Sitzungen für das verflossene mit der Dekretirung einer Replik, welche alle Erwartungen der überglücklichen Magyarowüthigen auf einmal vernichtete. Sie machten geltend, heisst es in einem dessfalsigen Berichte, der uns vorliegt, wie das Aufdringen der ungarischen Sprache auch da, wo sie die lateinische nicht im Gebrauche vorfinde, die Ausdehnung des Sprachzwanges (!) auch auf das innere, gemeindliche und Municipalleben nicht im Sinne der Gesetzgebung liege, noch liegen könne. Die beabsichtigte Neuerung sei überdem nicht nur unnöthig, sondern auch in hohem Grade unnatürlich und zweckwidrig, und würde die ganze Procedur, bei der es eben auf die einfachste und schnellste Rechtserledigung abgesehen ist, ohne Grund erschweren und verwickeln. Eine der schönsten Rechtsinstitutionen, das mündliche summarische Verfahren, in deren Genuss sich die k. Freistädte befinden, würde auf diese Weise um einen grossen Theil ihres Werthes gebracht – der Rechtsspruch ihres ersten, natürlichen Richters würde den Partheien entzogen, und erst durch Vermittelung eines dritten (des Dolmetschers) zugänglich gemacht. Willfahre man in dem einen Stücke (und diesen Passus bitten wir wohl zu bemerken!), so werde das nur der Anfang vom Ende sein für den Gebrauch der deutschen Sprache, so weit dieser in der inneren, städtischen Verwaltung bisher Statt gefunden; bald würde man auch verlangen Ein’s um das Andere, dass auch die Waisen-, Kämmerei- und Steueramtsrechnungen, die Wirthschafts- und Commissionsprotokolle, die Genanntschaftsprotokolle und die Verhandlungen der Genanntschaft selbst in ungarischer Sprache geführt werden. – Und darnach geht allerdings das Streben der Magyaromanen. So heisst es ja in dem Congregationselaborate über die neue Verfassung der Städte mit klaren Worten: „Sämmtliche Bürger wählen aus ihrer Mitte eine Vertretungskörperschaft. Diese soll alle 5 Jahre den Magistrat restauriren. ... Die Deliberationssprache soll die ungarische sein.“ – Kann man es deutlicher sagen? Und doch hat die Pesther Congregation vom 21. März v. J. das gedachte Elaborat angenommen, nicht minder als die Motion, welche die Stände beantragten: dass, „da die ungarische Sprache trotz der vielen Fortschritte, die sie seit einiger Zeit dadurch gemacht, dass sie vom Landtag 1840 in mehrere ihrer alten Rechte wieder eingesetzt wurde, noch immer nicht den ihr gebührenden Rang einnimmt, die Gesetzgebung festsetzen möge, dass in der Folge in der ganzen Administration des Landes, in der Abfassung der Gesetze, in allen officiellen Correspondenzen und im öffentlichen Unterrichte ausschliesslich die ungarische Sprache angewendet werden soll.“

3. Die verschiedenen Stände Ungarns.
Aus einer demnächst erscheinenden Gegenschrift gegen die Vierteljahrsschrift aus und für Ungarn. Von einem ungarischen Slawen.

 Die Vernachlässigung der Fortentwickelung unserer Verfassung war es nicht allein, welche zu den gegenwärtigen Zuständen führte, obwohl sie eine nicht geringe Schuld daran trägt; genug, Ungarn bei stets sinkender Volkserziehung, durch die grossartigen Ereignisse unserer Zeit kaum berührt, vegetirte dahin, alltäglichen Interessen hingegeben, ohne Sinn für bessere und höhere Zustände, in althergebrachten Vorurtheilen schmählich gefesselt, von der Bildung der Schule wie von der bildenden Kraft des inhaltsvolleren Lebens gleich weit entfernt. Aus diesem Zustande der Lethargie vorzüglich durch Grafen Széchenyi’s Auftreten geweckt, wurde besonders unter der gebildeten Klasse des Adels das Interesse für die vaterländischen Zustände lebhaft erregt. Der Bürger, namentlich der deutsche,

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/183&oldid=- (Version vom 3.9.2019)