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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

bereits jetzt Hindernisse auf Hindernisse in den Weg thürmt und ihnen in Ewigkeit die gehoffte Frucht ihrer so edlen, so wahrhaft bewunderungswürdigen Anstrengungen verbittern, wenn nicht gänzlich zu nichte machen wird. Wie kann man einer Nation anmuthen, dass sie das Höchste, das Grösste, das Erhabenste, ihre Nationalität, ihren alten, ehrwürdigen Namen, an den sich alle grossen Erinnerungen, alle Kraft, aller Stolz des Volkes knüpfte, von sich werfen und mit einem anderen vertauschen soll? Und was ist das für ein Name: „Illyrier“? Von einem fremden Zwingherren (?) gegeben dem Lande, das er unterjocht, ein Denkmal der Schmach und Erniedrigung der Völker, welche der Römer und später der ebenso herzlose Franzose knechtete, ein drohendes Gespenst aus alten, traurigen, schrecklichen Zeiten, eine Spuckgestalt, welche die Gemüther aufscheucht durch die Erinnerungen der blutigen Tage, wo die Südslawen von fremden Tyrannen niedergebeugt in den Staub und mit höhnendem Fusse in den Koth getreten wurden (!): solch ein Name, wie kann er irgend eine höhere, stolze Begeisterung erwecken für den schlummernden Geist einer Nation, welche mit ihm die Idee alles Fürchterlichen, Schaudernden, Vernichtenden unzertrennlich verknüpft (wahrer Unsinn!)? Und gegen diesen sollte der Chrowate, der Serbier seinen alten glanzvollen Namen vertauschen, gekrönt durch tausendfachen Ruhm, verherrlicht durch die edelsten Thaten des Muths und des Hochsinns, theuer geworden durch tausendjährige Kämpfe gegen fremdes Joch und asiatische Barbarei?“

 In der That die schwächste Stelle des ganzen Buches, wimmelnd von Unwahrheiten und leeren Tiraden, dem sonst ersichtlichen politischen Geiste des Verfassers ein starkes Dementi gebend! Stellen wir die ganze Sache kürzlich ohne Declamation in ungeschmückter Wahrheit dar!

 Die oben berührten Erbärmlichkeiten der Zustände in allen südslawischen Ländern, zumal die Zerrissenheit der nur gering verschiedenen Mundarten, mussten in dem Herzen manches patriotischen Südslawen die Idee erwecken, die jede materielle, geistige und politische Entwickelung hemmenden Schranken wegzuräumen, auf den Trümmern des alten Particularismus ein grosses und mächtiges, jede Entwickelung versprechendes Volksthum zu errichten. Die ungeheuren Hemmnisse und Schwierigkeiten zu überwinden, war in der That eine herkulische Arbeit! Gaj unterzog sich derselben und — will man frei und unparteiisch und nicht von altchroatischem oder einseitig razischem Standpunkte ein Urtheil fällen — hat dieselbe wohl vollbracht. Eine gemeinsame einfache Orthographie sollte die alten wahrhaft scheusslichen Schreibweisen verdrängen, die von der Mehrzahl des südslawischen Volkes gesprochene Mundart, da sie zugleich geographische Centralsprache ist, durch Grammatik und reiche Literatur aber einen seltenen Grad von Feinheit und Ausbildung erreicht hat, nach den Bedürfnissen der Gegenwart modificirt, die Schriftsprache des gesammten Völkerbundes werden, und Illyrier sollte der Name des Volkes sein. Der Name Illyrien ist auf jeden Fall kein fremder, sondern ein urslawischer; er ist aber zugleich die geographische Bezeichnung für die Mehrzahl der südslawischen Länder. Es ist wahrhaft lächerlich, zu behaupten, der Name Illyrer sei „ein Denkmal der Schmach und Erniedrigung der Völker, welche der Römer und später der eben so herzlose Franzose knechtete, ein drohendes Gespenst aus alten traurigen, schrecklichen Zeiten, eine Spuckgestalt, welche die Gemüther aufscheucht durch die Erinnerungen der blutigen Tage, wo die Südslawen von fremden Tyrannen niedergebeugt in den Staub und mit höhnendem Fusse in den Koth getreten wurden u. s. w.“ Referent, mit der Geschichte des slawischen Südens zur Genüge bekannt, weiss nicht, wann die Südslawen unter dem Namen Illyrier so schrecklichem Geschicke erlegen sind und wann sie solch gräuliches Joch wieder abgeworfen haben; auch ist ihm nichts davon bekannt, dass alte Sagen oder Lieder das Volk an schreckliche Tage eines ehemaligen Illyrenthums gemahnen: dass weiss er aber ganz gewiss, dass der Name Serbier jeden Serben an die schreckliche Sklaverei unter den Osmanen auch nach Jahrtausenden noch erinnern kann, und dass der Name Chorwaten die fränkischen

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/195&oldid=- (Version vom 2.12.2018)