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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Weneder am adriatischen Meere. Die bisher erhaltenen Resultate gründeten sich lediglich auf die Erforschung von auswärtigen, nicht slawischen Quellenschriften; nun nimmt aber Schafarik noch die einheimischen Quellen, als: die Ueberlieferungen des slawischen Volkes und ihrer ersten Geschichtschreiber: Nestor, Dalimil, Kadlubek und Boguchwal hinzu, und da werden jene Resultate nicht bloss bestätigt, sondern auch in vielen Punkten noch vervollständigt. Aus ihren vereinten Zeugnissen schliesst der Verf., dass die Slawen nicht nur seit den ältesten Zeiten in den oben angegebenen Sitzen angesiedelt waren, sondern dass sie auch um das Jahr 350—336 vor Chr. aus ihrer Urheimath, dem später sogenannten Illyrien längs der Donau, durch die Wlachen verdrängt und weiter nach Norden geschoben wurden, und dass diese Wlachen der slawischen Quellen Niemand anderes waren, als die Kelto-Gallier, welche auch nach lateinischen Schriftstellern um jene Zeit aus ihrer Heimath gegen Süden und Osten losbrachen und den ganzen Landstrich an der Donau durchstreiften und sich unterwarfen, ja selbst bis nach Asien vordrangen. Eine eben so sichere Vermuthung ist die, dass die Weneten (Eneten) am adriatischen Meere mit den eigentlichen Weneten (Slawen) stammverwandt gewesen; von den armorischen Wenetern in Gallien ist dieses nicht so klar darzuthun. Auf diese Weise wird es also sehr wahrscheinlich, dass die Slawen in den vorhistorischen Zeiten in einer wenig oder gar nicht unterbrochenen Linie von der Bernsteinküste bis an das adriatische Meer hinab wohnten und hier den ausschliesslichen Handel mit jenem edlen Naturprodukt führten, so lange bis sie von ihren westlichen und nördlichen Nachbarn aus diesen Gegenden verdrängt wurden.

 3. Abschnitt. Uebersicht der mit den Slawen gränzenden Völkerstämme. Die Wechselwirkung dieser und der Slawen ist so ausserordentlich, dass man das Alterthum der letzteren nicht erforschen kann, ohne beide zugleich zu betrachten. Hieher gehören nun zuerst die Skythen. §. 13. Man unterscheidet bei Herodot die nomadischen Skythen in der nogaisch-taurischen Steppe und am untern Dnjepr, deren Oberherrscher, die königlichen Skythen, die goldene Horde, zwischen dem Don und dem Donec ihre Sitze hatten, von den ackerbauenden Skythen, welche in dem ganzen Flussgebiet des Dnjepr bis zu den Quellen des Dnjester und Bog und noch weiter hinaus wohnten „und ohne Zweifel nicht skythischer, sondern slawischer Herkunft waren.“ Diese waren von den wilden Skythen höchst wahrscheinlich unterjocht worden, und wurden von den Griechen, die nur oberflächliche Kenntniss über die ferneren Gegenden am obern Dnjepr hatten, für wirkliche Skythen genommen. In dieser Unterthänigkeit blieben sie, bis die Skythen von den Sarmaten aufgerieben wurden. §. 14. Die Finnen oder Tschuden in der vorhistorischen Zeit der in Europa am weitesten ausgebreitete Volksstamm, sind bereits bei Herodot unter den Namen Thyssageten verborgen, auch seine Androphagen und Melanchlainen scheinen zu ihnen zu gehören, da sie alle den tiefsten Norden Europa’s bewohnen; bei den spätern Historikern stellt sich ihr eigentlicher Name, Tschuden oder Finnen, immer deutlicher heraus. Höchst wichtig für das Alterthum der Finnen sind die scandinavischen Sagen, in denen diese häufig vorkommen. §. 15. Zu den uralischen Tschuden gehören als besondere „Abzweigungen“ die Spalen, Skamaren, Hunnen und Sabiren. §. 16. Die Völker des sarmatischen Stammes, die bereits einige Jahrhunderte vor Christo nach Europa eingezogen waren, theilten sich in vier Hauptabtheilungen: die Jaxamaten zwischen dem Don und der Wolga, die Roxolanen an den Dnjeprmündungen; die Jazygen, der westlichste Sarmatenstamm, besetzten um 50 n. Chr. Siebenbürgen und den Südosten von Ungarn; endlich die Alanen, in der asiatischen Geschichte seit dem grauesten Alterthume, in der europäischen erst seit dem II. Jahrh. nach Christo bekannt. Sie theilten sich in drei Theile, von denen der am Wolchonski-Walde sitzende für die slawischen Alterthümer sehr wichtig ist; es ist derselbe Alanenstamm, der in der nordischen Sage unter dem Namen „Asen“ so häufig und so kräftig auftritt. Alle diese sarmatischen Völkerschaften aber verschwinden seit dem IV. Jahrh. von dem Schauplatze der Geschichte gänzlich, da sie bis dahin

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/20&oldid=- (Version vom 4.8.2020)