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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang |
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und das Land, wo Huss zuerst die Fackel der geistigen Freiheit geschwungen, ihrer alleinseligmachenden Kirche zurückzubringen, endete die Selbstständigkeit des böhmischen Staates, des böhmischen Volkes, vernichtete die geistige Kultur des Landes, vertilgte jede Spur der früher so schön entfalteten Literatur.“ Und in wessen Sinne anders handelte denn die Gesellschaft Jesu, als in dem der deutsch-römischen Kaiser und Erzherzoge von Oesterreich? und werden denn nicht jetzt schon unter mancherlei Vorwänden die Jesuiten in Prag eingeführt? — Wie wenig geschieht denn eigentlich für Böhmen ausschliesslich? Wie wenig bemüht man sich, seine Nationalität zu heben? Gesteht ja der Verfasser selbst, dass die böhmische Sprache nicht nur in Aemtern, der Universität, sondern auch in Gymnasien, Gewerbe-, Normal- und sogar Trivialschulen der deutschen hat weichen müssen, und die wenigen noch übrig gebliebenen böhmischen Dorfschulen im elendesten Zustande sich befinden. — Der Förderung der Literatur in einem engeren Kreise der Gelehrten kann man ruhig zusehen; man kann auch böhmische Bälle, böhmische Reunionen, böhmische Concerte, böhmische Soireen, böhmische Kaffeehäuser, welche dem Verfasser so viel Vergnügen machen, dulden, ja zu solchen aneifern, um aus Prag ein anderes liebes Wien zu bilden; aber die Nationalität, die Kultur in der Masse des Volkes zu heben, davon war bis in die neueste Zeit keine Spur, ja es wurden vielmehr den Freunden des Czechenthums tausenderlei Hindernisse in den Weg gelegt.
Zu Polen übergehend hegt er die wärmsten Wünsche für diese Nation, und den Regierungen, welche Polen unterworfen haben, ihre Handlungsweise vorwerfend, fragt er: „Ist es denn klug, jede Aeusserung der Nationalität mit der grössten Aengstlichkeit zurückzuweisen, bei einem Volke, das eine Zukunft sich erringen wird und erringen muss?“ und fortfahrend in dieser Gewissheit der Unabhängigkeit Polens ruft er: „Woher die Begeisterung, mit welcher die Völker der Erde den erstandenen Polen zujauchzten? Die Sache Polens ist die Sache der Freiheit, der Menschheit geworden!“ —
Von der polnischen Emigration sprechend führt er an, dass von den Werken, die in Paris alljährlich erscheinen, trotz der strengsten Vorsichtsmassregeln von Seiten der russischen und auch österreichischen Behörden, eine sehr grosse Anzahl an die Ufer der Weichsel, selbst bis an den Niemen und Dniepr hin versendet wird, wie dass auch anderseits in diesem Gebiete „eine jüngere Generation von Schriftstellern sich gebildet habe, welche, in die letzten Ereignisse des Vaterlandes weniger verflochten, in Polen zurückgeblieben sei, um polnischen Geist und polnische Nationalität in ihrem Volke zu erhalten, und vorschreitend auf der vorgezeichneten Bahn dem stolzen Sieger zu zeigen, dass selbst in seinem tiefen Elende „Polen noch nicht verloren“ sei, dass aus den Trümmern seiner Freiheit doch der Geist der Nation sich emporgeschwungen, ja dass er immer noch, obgleich geknechtet und darniedergehalten, seinem Gegner ebenbürtig ist.“
In solchem Sinne spricht der Verfasser von Polen, und hierzu dienten ihm als Wegweiser der „demokratische Almanach für das Jahr 1842“ und ein Artikel des „Auslandes“: „die polnische Literatur im J. 1841“; er wäre auch weiter so fortgefahren, und hätte vielleicht noch andere Resultate hieraus gezogen, wenn er nicht von Russland sprechen musste, und wenn er nicht unglücklicher Weise die „Europäische Pentarchie“ und „L’Europe et la Civilisation“ vor den Augen gehabt hätte. Er hätte sich aber erinnern sollen, dass Deutschlands Blätter zur Gnüge von diesen Werken sprachen und handgreiflich bewiesen, dass ersteres auf Befehl des Petersburger Kabinets und das andere von einem polnischen Renegaten geschrieben wurde.
Von diesen Werken belehrt, zieht der Verfasser den Schluss, dass Polen keine Hoffnung mehr habe, seine Unabhängigkeit zu erreichen, dass die Emigration dem Vaterlande nicht nur den geringsten Nutzen, wohl aber vielseitigen Schaden und Nachtheil gebracht habe. „Die Emigration war es, welche ihre Emissäre nach dem Vaterlande sandle, um dort Blutvergiessen und Hochverrath anzuzetteln.
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/202&oldid=- (Version vom 23.11.2019)