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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Die Emigration endlich war es, welche in ihrer blinden, fanatischen Wuth den Kaiser für die Ursache aller Leiden der polnischen Nation nahm und in wahrhaft unbegreiflichem Wahnsinne sich vermass, die verbrecherische Hand an den zu legen, in dessen Macht allein es lag, das polnische Volk zu schützen und seine Nationalität ihm zu wahren;“ ferner „war die November-Revolution als wahrhaft grossartige National-Anstrengung achtungswerth, aber sie bleibt dessen ungeachtet ein politisch dummer Streich.“ Dieses Urtheil, wenn es eines rechtschaffenen Mannes ist, kann nur lächerlich genannt werden; denn eine Unternehmung verdient nur dann ein dummer Streich genannt zu werden, wenn keine Wahrscheinlichkeit der Realisirung vorliegt; hier aber hat man sich schon überzeugen können, dass Russland bei der Anstrengung seiner letzten kolossalen Kräfte nicht ausgereicht hätte, wenn ihm nicht der Verrath von Krukowiecki und früher die Indolenz der Regierungshäupter, welche den Enthusiasmus der Nation paralisirten, zu Hülfe gekommen wäre. Es war vielmehr die polnische Revolution, welche die Schwäche Russlands den Augen der Welt blossgestellt hat, und seither ist Russland für Europa nicht mehr furchtbar.

 Aber worin sieht denn der Verfasser die Macht Russlands? „Das Reich“, sagt er, „zählt an hundert einzelne Völkerschaften, welche in 12 grosse Stämme zerfallen, und mehr als achtzig verschiedene von einander gesonderte Sprachen und Dialekte sprechen. Der grösste Hauptstamm sind die Russen; sie zählen eine Masse von mehr als 18,000,000 Köpfen; sie sind die herrschende Nation, sie müssen, sie werden alle anderen Nationen allmählig verschlingen.“ Eine falsche Voraussetzung muss nothwendiger Weise zu einem falschen Resultate führen, was man folgendermassen beweisen wird. —

 Schafarik in seinem „Slowansky Norodopis“ gibt zwar die Russen in Russland auf 48,590,000 Köpfe an, von denen 35,314,000 Grossrussen, 10,377,000 Kleinrussen und 2,726,000 Weissrussen sein sollten. Obgleich man von der Bevölkerung Russlands nie eine genaue Kenntniss haben kann, so wollen wir doch hierin dem hochgelehrten Manne eine andere Rechnung entgegenstellen und berufen uns auf ein Werk (La Russie, la Pologne et la Finlande, tableau statistique geographique et historique de toutes les parties de la Monarchie Russe prises isolement. Par M. J. H. Schnitzler. Paris 1835.), welches im Sinne der russischen Regierung mehr oder weniger nach zuverlässigen Daten verfasst ist und gewiss in Nichts die Grösse Russlands beeinträchtiget hat. Nach selbigem beläuft sich die Zahl der Grossrussen

im Gouvernement Moskwa auf 1,337,000
— — Wladimir 1,334,000
— — Niżnij Nowgorod 1,000,000
— — Kostroma 1,422,700
— — Jaroslaw 1,100,000
— — Kaluga 845,373
— — Twer 1,233,358
— — Nowgorod 800,000
— — Pskow 640,000
— — Raesan 1,300,000
— — Tula 1,100,000
— — Orel 1,200,000
— — Kursk 1,600,000
— — Tambow 1.400,000

also im Ganzen auf 16,713,700

 Die Bevölkerung der südlichen und westlichen Gouvernements besteht in der grösseren Zahl aus Kleinrussen, nach ihnen folgen die Polen, Weissrussen und Lithauer, ein fremder Stamm, welcher aber schon mehr für Polen angesehen werden sollte. Die Bevölkerung dieser Gouvernements ist folgende:

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/203&oldid=- (Version vom 25.11.2019)