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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

trostlosen Schmachten, eher dem innigen deutschen Sagentone, am meisten der polnischen Heiterkeit nähern. Die polnischen zuletzt sind das in dem slawischen Kranze, was die österreichischen im deutschen sind: Lieder der Heiterkeit und der Lebenslust, die wohl dann und wann in Eintönigkeit und Flachheit ausarten.“

 Was die Uebersetzung anbelangt, so hat der Verf. nach seinen eignen Worten „mit der grössten Sorgfalt alle Maasse getreu nachgebildet, jede Reimstellung nachgeahmt und jede Tonweise bei der Feststellung des Maasses mit den Worten verglichen.“ Zum Vergleiche geben wir noch ein Lied, das sich auch bei Wolfsohn vorfindet:

Waldbrühl.
Brause nicht, о Mutter Eichenwaldung, grüne du!
Störe nicht in den Gedanken deinen wackern Sohn:
Denn es geht der wackre Junge morgen vor Gericht,
Vor den strengen Richter geht er, vor den Zaren selbst.
Und wenn nun der allgewalt’ge Zar mich fragt:
„Sage an mir, sprich Du Bursche, sprich Du Bauernsohn:
„Sag’ mit wem hast Du gestohlen? sag’ mit wem geraubt?
„Und wie viel der Spiessgesellen hast Du wohl gehabt?“
Dann sag’ ich dir, unsre Hoffnung, dir rechtgläub’ger Zar!
Ich bekenne dir die Wahrheit, reine Wirklichkeit.
Engverbund’ner Spiessgesellen waren unsrer vier:
Ja mein erster Spiessgeselle war die finst’re Nacht,
Und der zweite Spiessgeselle hier mein scharfer Dolch,
Dann der dritte Spiessgeselle war mein gutes Ross,
Drauf der vierte Spiessgeselle hier mein Bogen stark.
Meine flinken Läufer aber Pfeile, stahlbewahrt. —
Also spricht dann unsre Hoffnung, der rechtgläub’ge Zar:
„Wohl gesprochen so, Du Bursche, wohl Du Bauernsohn!
„Wusstest Beides, gut zu stehlen, zu antworten auch.
„Will mein wackrer Knabe, deshalb auch belohnen Dich;
„Für Dich steht in freiem Felde gar ein hohes Haus,
„Von zwei Pfählen aufgebaut, ein Querbalken drauf“

Wolfsohn.
Rausche nicht Väterchen, du grüner Eichenwald!
Störe mich wackern Jüngling nicht in den Gedanken mein;
Morgen muss ich wackrer Jüngling zu dem Verhöre gehn,
Vor den gestrengen Richter, vor den Zaren selbst.
Wird der Herr und Zar wohl also befragen mich:
Du sage mir, Kindchen, sage Du Bauernsohn:
Mit wem doch hast Du gestohlen, mit wem geraubt?
Waren noch viel der Gefährten mit Dir?
Ich will dir sagen, du Hoffnung, rechtgläubiger Zar,
Alles bekenn’ ich getreu dir, die Wahrheit ganz:
Wohl der Gefährten hatt’ ich noch viere bei mir.
Mein erster Gefährte, das war die finstre Nacht,
Und mein zweiter Gefährte — das Messer von Stahl,
Und mein dritter Gefährte — mein wackres Ross,
Und mein vierter Gefährte — der Bogen straff,
Meine Boten das waren die Pfeile hart.
Alsdann spricht die Hoffnung mein, der rechtgläubige Zar:
Brav gemacht, Kindchen, brav Du Bauernsohn!
Wusstest stehlen zu geh’n, wusstest Rede zu steh’n;
Dafür will ich Dich, Kindchen, beschenken auch,
Mitten im Felde mit hohem Holzgebäu —
Mit zwei Pfählen und einem Querbalken dran.

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/219&oldid=- (Version vom 11.12.2019)