Seite:Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft 1 (1843).pdf/227

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Wurzel in slawischem Boden hat.“ Ausser der Beschreibung seiner Reise gibt Kollar noch zwei Beilagen, von denen die erste zwei Urkunden über die Abtei Salawar (dem Ursitze des mährischen Christenthums, wo Pribina die erste Kirche anlegte, deren Trümmer Kollar auffand und beschreibt), die zweite eine etymologisch-historische Abhandlung über das Wort Holub, Golemb, Columba, Taube, mit besonderer Beziehung auf die slawischen Weneten in Italien enthalt. In dieser wird die Bedeutung der Taube in religiöser und überhaupt moralischer Hinsicht näher nachgewiesen, nicht nur in Rücksicht auf die Slawen, sondern auch auf die Römer und Romanen, die Germanen, die Griechen und die Hebräer und Inder. Das „Wörterbuch der slawischen Künstler aller Stämme“ enthält A) die slawisch-heidnischen Künstler und ihre Kunstwerke, B) die slawisch-christlichen Künstler, wobei auf eine allgemeine Uebersicht die besondere alphabetische Aufzählung der slawischen Maler und Zeichner, der Kupferstecher, der Bildhauer und Statuengiesser, und der Architekten folgt, denen noch eine Uebersicht der Künstler, welche in der neuesten Zeit in Petersburg Beschäftigung fanden, sowie eine Aufzählung derjenigen Künstler, welche berühmte slawische Gegenstände zu ihrem Vorwurf genommen haben, und endlich ein Verzeichniss derjenigen Schriftsteller und Kunstfreunde, welche für die slawische Kunst und ihre Geschichte gewirkt haben, beigegeben ist. — Das ganze Buch entspricht allerdings den Erwartungen, welche wir bei der Ankündigung desselben gehabt haben. Es ist des Neuen, des Interessanten und Gelehrten so viel darin enthalten, dass es wohl das beste Material zusammengetragen hat, welches bei den gegenwärtigen Verhältnissen den Slawen als Waffe gegen ihre verschiedenen Gegner und Verkleinerer dienen kann.

 7. Der König der Burg. Erzählung von Severin Goszczynski. Posen 1842. 8. 122 Seiten.

 Eine der besten Erzählungen, welche Goszczynski je geschrieben. Ihr Grundtext ist durchaus politisch. Unter dem Bilde eines Irrsinnigen, der in einer alten Ruine wohnt und von den benachbarten adeligen Familien bald wahrhaft verehrt, weit mehr aber noch verspottet und verlacht, von allen aber gern gesehn und zu jedem Familienfeste herbeigezogen wird, stellt der Verf. den Charakter eines echten Polen dar, wie er unter den gegenwärtigen Verhältnissen beschaffen sein solle. Für einen Irrsinnigen muss sich der wahre Freund seiner Nation ausgeben; wie ein Narr muss er sich gebärden, will er anders in seinem Vaterlande, das einer wüsten Ruine gleicht, vor welcher jeder Lebende flieht, bleiben. In der tiefsten Seele muss er den Ingrimm über das traurige Loos seines Vaterlandes vergraben, nur im bittersten Hohne darf er die heiligsten Gefühle seiner Brust aussprechen, will er anders wirken auf die abgestumpften und in schmachvolle Apathie versunkenen Zeitgenossen. Nur Wenige sind im Stande, seine Stimme, den Ruf des Vaterlandes zu vernehmen und den verborgenen Gedanken zu errathen, der in seiner Seele glüht. — Das Bild ist vortrefflich und die Scene im wärmsten, frischesten Colorit gezeichnet. Der glatte Styl des Verfassers stellt auch die Vollkommenheit der Form dar. Durch die ganze Dichtung wehet ein tiefsinniges, nicht selten beinahe krampfhaftes Gefühl, das sich von Stufe zu Stufe steigert und den Leser fast an die Gränze des Ueberreizes führt. Eigenthümlich ist das vorherrschende religiöse Gefühl; es kann das als Vorbote gelten für die grosse Umwandlung, welche in des Verfassers Grundansichten in der letzten Zeit vorgegangen ist.

 Druck und Papier und die ganze Ausstattung sind dem Werthe des Buches angemessen.

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/227&oldid=- (Version vom 19.12.2019)