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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

welche in den Liedern Vodnik’s weht, und die Poesie des Prof. Zupan gehörte, mit Ausnahme weniger, in jene niedere Sphäre der Phantasie und ihres Aufschwunges, in welcher die Poesie alle Würde und allen Ernst ablegen und verläugnen muss. Daher war Dr. Presérin eine nothwendige Erscheinung für den slowenischen Gesang, um den Anforderungen unseres Zeitgeistes zu entsprechen. Allein selbst Presérin hätte dem verwöhnten Geschmacke der Slowenen nicht seine gegenwärtige Richtung verschaffen können, wenn sich nicht durch den Bibliothekar M. Cop der slowenischen Poesie eine erfreuliche Aussicht eröffnet hätte. Cop rief im Jahre 1830 einen Verein von jungen Männern in’s Leben, die durch Herausgabe einer slowenischen Zeitschrift „Krajnska cbélica“ (bcélica) die Liebe zur Poesie erwecken und den Geschmack für den vaterländischen Gesang läutern sollten. Hier fand man seit 50 Jahren wieder die Gesänge mehrerer slowenischer Dichter dem Publikum in einer grössern Anzahl und Auswahl öffentlich dargeboten. Der Schöpfer des echt nationalen Liedes, Vodnik, der gemüthliche Jarnik, der sich der modernen Muse anschliessende Dr. Presérin, der elegische Kastelic mit mehrern Andern traten in dieser Zeitschrift als Sänger auf, und ihre Töne beseelten die Brust des singenden Slowenen nicht minder mit herzergreifenden Weisen, als sie dem Auslande die irrige Meinung benahmen, dass die slowenische Sprache nicht mehr rein und unverfälscht unter dem Volke fortlebe. Vier Bändchen waren die Frucht dieses patriotischen Vereines. Leider nur vier Bändchen, und der Stern, der so hoffnungstrahlend an dem Horizonte der slowenischen Poesie aufging, schien mit dem Jahre 1834 erblassen und mit dem Ableben Cop’s (1836)[1] sich ganz seinem Untergange zuneigen zu wollen!

 Die „Bcélica“ hörte auf, den Honig der Poesie auf dem blumigen Fluren des Vaterlandes zu sammeln, und mit ihrem Aufhören (1834) trat ein Stillstand ein; den im Jahre 1836 Dr. Presérin mit seinem kleinen Epos „Kerst pre Savici“ unterbrach.

 Die Leistungen dieses reichbegabten Dichters würdigte Czelakowsky im „Časopis českeho museum“, im letzten Hefte des Jahrganges 1832 bei der Beurtheilung der „Krajnska bcélica“ auf eine ehrenvolle und anerkennende Art; nur Schade, dass er seit geraumer Zeit gänzlich verstummt zu sein scheint und seine gesammelten Gedichte dem slawischen Publikum nicht veröffentlicht.

 Dies war die letzte Erscheinung im Gebiete der Poesie, und mit Ausnahme der schönen geistlichen Lieder von den Herren Dolinar und Potocnik gab es nichts Neues, das der Oeffentlichkeit übergeben worden wäre.

 Bei diesem Anscheine der Saumseligkeit und der Zurückgezogenheit der slowenischen Literatoren dürfte bald Jemand unserer Literatur ein Grablied singen, und meinen, dass die slowenische Sprache in jenen Misskredit beim Auslande zurückfallen müsse, aus dem sie sich kaum hervorgearbeitet hat. Allerdings giebt es Hindernisse, theils in den Schriftstellern selbst, theils in anderweitigen Umständen, deren Auseinandersetzung ich mir für eine spätere Mittheilung vorbehalte. Jene scheinbare Saumseligkeit glaube ich in der Bescheidenheit unserer Schriftsteller finden zu können, welche ihre Geistesprodukte einer strengen Selbstbeurtheilung unterwerfen, und nur einen geeigneten Zeitpunkt erwarten, um vor das slawische Publikum zu treten.

 Ich könnte Ihnen mehrere von diesen Herren namentlich aufführen, wenn ich nicht befürchten müsste, ihrer Bescheidenheit zu nahe zu treten. So z. B. sammelt der Herr Kastelic Beiträge für eine neue Folge der „Krajnska bcélica“; der noch nicht viel bekannte Herr Pfarrer Zémlja soll die Herausgabe seiner Gedichte beabsichtigen; ein gewisser Herr Kosecky in Triest übersetzte die meisten


  1. Dieser gründliche Gelehrte fand im August 1836 beim Baden in der Save durch den Schlag seinen Tod. Krain verlor in ihm seine Zierde und Oesterreich vielleicht einen seiner ersten Gelehrten und Philologen, dessen Kenntnisse leider noch nicht bekannt werden konnten.
Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/235&oldid=- (Version vom 27.12.2019)