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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

auf solche kleine Schriften verwenden, besonders da dieselben doch immer unvollständig bleiben müssen, so lange nicht ein vollständiges wendisch-deutsches Wörterbuch zu Stande gekommen ist. Allein die Brauchbarkeit und vor Allem der Bedarf eines solchen Buches rechtfertigt gegen jeden Vorwurf. Freilich hätte das Buch auch in dieser Hinsicht noch besser dem Bedürfniss entsprochen, wenn es wenigstens das Doppelte seines Inhaltes geliefert hätte, was leicht auf demselben Raume möglich gewesen wäre, da mit demselben in der That unverantwortlich splendid umgegangen ist. Die kurze Darstellung der Orthographie hat ihren besonderen Werth, doch hätte auch hier dasselbe auf der Hälfte des Raumes gesagt sein können; wir sind nicht für die halben Massregeln, — entweder man gebe uns etwas Vollständiges über die slawisch-wendische Orthographie, oder man überlasse es der Erlernung durch den Gebrauch. Wichtig ist in dieser Hinsicht die Erklärung Schmalers: er bedauere, dass dieses Wörterbuch eher unter die Presse kam, als die ganze Angelegenheit (die Vereinigung der protestantischen und katholischen Schreibeweise, indem sich der Verf. selbst für die in der von mir herausgegebenen wendisch-slawischen Zeitschrift angewendete erklärt) ihre Erledigung gefunden; es solle aber weiter unten am gehörigen Orte genügende Rücksicht darauf genommen werden. Wir wünschen dem Büchelchen die grösstmögliche Verbreitung, weil es dieselbe in der That verdient.

 Rok 1843. II. (Vgl. Heft 2. S. 138). Diese interessante Unternehmung macht kräftige Fortschritte. Der vorliegende Band enthält 6 Artikel. 1) Einige Worte über den eigenthümlichen Standpunkt unserer Literatur, von J. Moraczewski; eine tüchtige Darstellung der eigenthümlichen Verhältnisse, unter denen sich die polnische Literatur gegenwärtig entwickelt. Wir werden dieselbe in ihrer Gänze im nächsten Hefte der Jahrbücher mittheilen. 2) Ueber den civilen Muth, von Dr. Liebelt. Eine kräftige Arbeit dieses tüchtigen Denkers. Zwei Stände giebt es in der Gesellschaft, sagt der Verf., den Bürger- und den Militairstand. „Letzterer, seiner Natur nach kriegerisch, ist in der Zeit des Friedens gänzlich unnormal. Der Friede ist für ihn die Zeit des Winters, in welchem die Thiere des Nordens im Todesschlafe liegen. Nur mit dem Unterschiede, dass dieser Todesschlaf nur ein moralischer ist und auf Kosten der Gesellschaft erhalten wird.“ Durch Missbrauch sei bisher nur von militairischem Muth die Rede gewesen; der bürgerliche Muth sei lange Zeit unbegriffen geblieben. Erst die Société de la morale chrétienne Guizot’s habe Abhandlungen über denselben hervorgerufen, unter denen die von Hiacynthe Corne den Preis davon getragen. In dieser Abhandlung selbst sei Vieles sehr wahr, Manches indess nicht gehörig distinguirt. Auch der Krieger sei Staatsbürger. „Die Kraft also, welche in uns die Aufopferung für die nationale Sache hervorruft, nennen wir den Bürgermuth, welcher bürgerlich oder militairisch sein wird.“ — „Die Liebe (Patriotismus), die Ueberzeugung und die Aufopferung sind die drei nothwendigen Elemente des bürgerlichen Muthes.“ Das St. Simonistische „Hilf deinem Nächsten wie dir selbst“ sei nichts anderes, als das christliche „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.“ Ueber die Aufopferung spricht der Verf. weitläufiger; sie hat sich in Polen besonders gezeigt. Mit Recht heisst es daher S. 18: „Ehre euch, Ehre durch alle Geschlechter, ihr heiligen Opfer des Menschengeschlechtes, die ihr euch selbst verleugnen, durch erhabene Tugend die Würde des Menschen zur Würde der Gottheit erheben, die ihr euch für euer Volk, für die Menschheit, für das Licht, das Recht und die Freiheit aufopfern, die ihr euch sogar zu Foltern und zu schmachvollem Tode hergeben konntet. Ehre auch dir, schönes Geschlecht, euch Mütter und Bürgerinnen, die ihr den Männern ein Beispiel gegeben, wie man das Vaterland lieben, wie man für dasselbe sterben muss. Ehre euch, ihr Bürger, die ihr bei dem Feuerschein brennender Dörfer und Städte, unter den Foltern des Todes unerschrocken über die Rettung des

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/290&oldid=- (Version vom 25.11.2019)