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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

in Ungarn nicht anerkennen, meint der Verf., so werden sie „die Möglichkeit ihres Unterganges unfehlbar zur Wirklichkeit machen“; gegen Russland hätten sie nicht Kraft genug, wirksamen Widerstand zu leisten; auch sei die Furcht vor demselben und vor einer Unterstützung von Seiten der ungarischen Slawen ungegründet, weil es im Vortheile der Letzteren unbedingt liege, eher an Oestreich, als an Russland sich anzulehnen; erst durch einen fortgesetzten Vernichtungskampf gegen sie würden die Magyaren sie zu jenem Bündniss zwingen. — Unter der Ueberschrift „Ungarns Verhältniss zu Oestreich[WS 1]“ untersucht der Verf. vier Fragen: a) Was verdankt Ungarn Oestreich? Seine Existenz, alle seine Bildung, seine Rettung aus türkischer Botmässigkeit. Dies beweisst der Verf. aus der Geschichte, die er von seinem einseitig deutschen Standpunkte aus darstellt, zwar grösstentheils ohne Verletzung der Wahrheit, aber (ob absichtlicher oder zufälliger?) Verschweigung alles dessen, was die Slawen z. B. vor Wien gethan. b) Was ist Ungarn für Oestreich? Allerdings wichtig, aber zugleich, „dies sprechen wir mit eben so inniger Ueberzeugung als Betrübniss aus, für das deutsche Oestreich ein Unglück, eine Last, ein Hinderniss des Fortschrittes.“ Der Beweis, den der Verf. gibt, ist genügend, selbst für den, dem es kein solches Unglück dünkt, dass Oestreich nicht ganz deutsch ist, wie dem Verf. c) Was bleibt Oestreich ohne Ungarn? Eine europäische Grossmacht. „Es würde durch den Verlust Ungarns, Polens und Italiens die Basis seiner Macht nicht verlieren; im Gegentheil, die natürliche und ewig feste Grundlage seiner Kraft dadurch erst wieder gewinnen“; der Verf. meint, durch eine kräftigere Entwicklung und durch Germanisirung aller nicht deutschen Ingredienzien. d) Was würde aus dem von Oestreich getrennten Ungarn? Früher wäre es eine türkische Provinz geworden, jetzt würde es ein „Schützling und Mündel zweier oder aller Mächte“ werden, um seine Selbstständigkeit wäre es völlig geschehen, es stände „wie ein Kind zwischen zwei Riesen, wie ein frisch gepflanztes Bäumchen zwischen zwei gewaltigen Bäumen.“ — Allen dem nach sei Ungarns und der östreichischen[WS 2] Regierung Pflicht und Bedürfniss „mit kurzen, klaren Worten: Ungarn werde im Innern gerecht und vereinige sich fest und innig mit Oestreich; Oestreich werde im Innern entschieden und in jeder Richtung liberal und vereinige sich organisch mit Deutschland.“ Letzteres scheint dem Verf. zumeist am Herzen zu liegen.

 Die Beschwerden und Klagen der Slawen in Ungarn über die gesetzwidrigen Uebergriffe der Magyaren. Vorgetragen von einem ungarischen Slawen. Leipzig 1843. Binder. 89 S.

 Den Slawen in Ungarn war bisher nicht blos in Journalen und Streitschriften, sondern vorzüglich auch im mündlichen Verkehr der Vorwurf gemacht worden, dass die Klagen, welche sie gegen das überwuchernde Magyarenthum führten, entweder völlig ungegründet oder aber wenigstens ausserordentlich übertrieben wären. Letzteres glaubte man besonders in Deutschland, wo die allgemeine Abneigung gegen das Slawenthum, hinter welchem man stets und überall den so beliebten nordischen „Koloss“ erblickte, so gern in dem das Slawenthum bekämpfenden Magyarenthum einen Freund und Bundesgenossen sah; auch war es wohl nicht anders möglich, da deutsche Journale und Streitschriften von der magyarischen Parthei ausgegangen nicht nur jene natürliche Zuneigung zu ihrem Zwecke geschickt benutzten, sondern sich auch geradezu als Retter und Bollwerk Deutschlands und des Westens gegen den allein in ihrem Hirne existirenden Andrang der Russen ebenso laut als lächerlich proklamirten. Das vorliegende Buch ist nun die Antwort auf jene beiden Vorwürfe. Zwar ist auch diese Schrift nicht in dem Geiste geschrieben, welchen der ruhige Beobachter der Verhältnisse allen Jenen anempfehlen möchte, welche uns über die Kämpfe in Ungarn berichten; aber dennoch hat das Buch vor den meisten seiner Genossen den Vorzug, dass es eine

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Druckfehler. Oesreich in der Vorlage.
  2. Druckfehler. östreichisehen in der Vorlage.
Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/296&oldid=- (Version vom 31.1.2020)