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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

sein, das ein desto grösseres Bedürfniss ist, je umfangreicher das Werk und je verschiedenartiger die darin verhandelten Gegenstände sind. Es dürfte selbst für den Besitzer der böhmischen Ausgabe wegen seiner Vollständigkeit nützlich werden.

 (Polen.) Nach einer auf Befehl der russischen Regierung erschienenen Statistik von Zaweljejski hatte Polen im Jahre 1840 4,448,009 Einwohner (2,214,849 männlichen, 2,273,160 weibl. Geschl.); davon römisch-katholisch 3,543,694, rechtgläubig (d. i. russich) 1874, unirt 235,966, Philipopen (?) 3874, augsburgisch 230,756, reformirt 3886, Menoniten 1059, mährische Brüder 971, „Hebräer“ 474,598, Muhamedaner und andere Sekten 331. An Adel zählte man 363,232, Bürgerliche jeden Glaubens und Bauern 3,943,232 mit Ausschluss Warschaus, wo 100,990 Christen, adeligen und anderen Standes sind. Im Jahre 1838 betrug die Anzahl der Geborenen 194,511, der Gestorbenen 129,694.

 Magyarische Konsequenz. Während der Revolution von 1831 baten die Magyaren die österreichische Regierung um Erlaubniss, den Polen mit einer Armee zu Hülfe zu ziehen; jetzt fordern sie den Anschluss Galiziens an Ungarn, um dann diesen integrirenden Theil Polens zu magyarisiren.

 Die Deutschen, die sich in Polen ansiedeln, verlieren schnell ihre Muttersprache, dies ist eine ziemlich bekannte Sache. Göhring, dessen „Polen unter russ. Herrschaft“ eine mehr als unglückliche Karikatur einer Reisebeschreibung und Sittenschilderung ist, kam unter andern in eine Schenke, deren Wirthsleute geborne Deutsche waren. Da sagt er unter Anderm: „Sonderbar war, dass sich die Aeltern kaum mit ihren Kindern verständigen konnten. Sie verstanden nicht oder wenigstens nur sehr wenig Polnisch (?), und die Kinder sprachen ungemein wenig deutsch.“ Das Polnischwerden der letzteren sei auf keine Weise zu verhindern, erzählte der Schenkwirth; die Kinder nehmen von ihren Kameraden die polnische Sprache viel schneller und lieber an, als von den Aeltern die Deutsche. Der Knabe habe in seinem dritten und vierten Jahre, ehe er unter die Kinder des Dorfes gekommen sei, schon hübsch deutsch gesprochen, dann aber habe er bald das Deutsche gegen das Polnische umgetauscht; zum Theil habe er es vergessen, zum Theil sei es ihm so schwer und zuwider geworden, dass er oftmals, wenn man ihn zum Deutschsprechen nöthigen wolle, zu weinen anfange.“ Sollte davon nicht auch in der Sprache ein Grund mit liegen?

 Die Matica ilirska nahm im J. 1842 die reine Summe von 4,687 Fl. 55 Kr. C. M. ein. Davon sind 1000 Fl. nach den Statuten auf den Druck guter Werke zu verwenden. In Folge dessen sollen noch dieses Jahr die sämmtlichen Werke Jo. Gundulić’s herausgegeben werden; seine berühmte Osmaniade ist bereits fertig. Die klassischen Schriften dieses altillyrischen (ragusanischen) Dichters werden mit der grössten Sorgfalt gesichtet und nach vielfachen Vergleichungen mannichfaltiger Handschriften ein möglichst reiner Text hergestellt.


Aus Agram.

 Unsere „kroatisch-slavonische ökonomische Gesellschaft“ hat bereits 9 Filialgesellschaften hervorgerufen, nämlich in der Militairgrenze 3, in Glina, Peternica und Otoczac, in Kroatien und Slavonien 6, nämlich in Agram, Deakowar, Kreuz, Karlstadt, Ludbreg und Warasdin, und viele andere sind eben im Entstehen. Sie alle haben ihre Büchersammlungen, halten die Journale und dienen dem Lande in vieler Hinsicht zur Hebung und Beförderung. In diesem Frühjahr feierte die Agramer ihre vierte Hauptversammlung; nach den gewöhnlichen Eingangsreden, unter denen sich die des ehrwürdigen Bischofs Havlik besonders auszeichnete, und nach der Vorlage der Rechnungen des Kassirers erhob sich der Sekretair der Gesellschaft, der Kapitain Klingräff, und las einen Vorschlag des leitenden Ausschusses vor, zur Gründung einer Musterwirthschaft, welche von vielen Mitgliedern gewünscht worden war. Als sich aber zeigte, dass es nicht möglich wäre, eine solche Musterwirthschaft zu gründen, so beschloss man, wenigstens dahin zu wirken, dass über die ganzen Königreiche Kroatien und Slawonien hin eine Reihe von einzelnen Musterhöfen hergestellt werden, der Art, dass die Mitglieder der Gesellschaft auf ihren Besitzungen eine rationellere Bewirthschaftungsmethode einführten, und so den in ihrer Umgebung lebenden Bauern als Muster dienten. Darauf wurden mehrere Korrespondenzen von andern ökonomischen Gesellschaften vorgetragen und ein inniges Verhältniss mit denselben als sehr erwünscht bezeichnet. Hierauf wurden an 150 neue Mitglieder angenommen, so dass die Gesellschaft jetzt deren an 780 zählt. Auf diese Weise geschieht auch in der Oekonomie, gegenwärtig dem Hauptnahrungszweige unserer Länder, ein kräftiger Fortschritt. Alles dies haben wir mehr oder weniger dem neuerwachten Geiste zu danken, welcher, gestützt auf den Boden der Heimath und der Nationalität, unserem Volke die Fortschritte der europäischen Kultur zu Nutzen zu bringen und es mit den übrigen Nationen auf gleiche Höhe zu erheben bestrebt ist.



Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/309&oldid=- (Version vom 16.2.2020)