Seite:Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft 1 (1843).pdf/339

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

die kaiserlichen Prinzen und Prinzessinnen müssten jetzt dieselbe Sprache lernen, die er schon so vortrefflich kann. Mit welchen Glorienschein wird seine Phantasie die Männer umgeben, die ein solches Gesetz gegeben!

 §. 2. Das Magyarische hat im Verlauf des letzten Decenniums eine solche Masse neuer Ausdrücke „fabrizirt“ erhalten, dass man die früher erschienenen Lexica, Grammatiken und ähnliche Sprachlehrbücher gar nicht mehr brauchen kann. Der grösste Theil dieser neugemachten Ausdrücke ist durch Zusammensetzung und Ableitung aus solchen magyarischen Wurzelwörtern entstanden, die der gebildete Magyare nicht kennt, weil sie und ihre nächsten Derivate von fremden Ausdrücken, besonders slawischen, gänzlich verdrängt und ausser Gebrauch gebracht worden sind. Die neueren Wortfabrikanten waren aber leider auch Puristen, und verwarfen jedes Stammwort, das nicht aus der Mongolei mitgekommen war. Während nun die gewöhnliche magyarische Umgangssprache von slawischen und anderen Wörtern und Redensarten strotzt, ist die neueste Schriftsprache reiner und eigenthümlicher (nur die slawischen Wurzeln konnte man nicht gänzlich ausmerzen), leider aber für den Leser, selbst den gebildeten unverständlich; so dass er bei seiner natürlichen Liebe zu seiner Sprache, seine Zeitschriften u. dgl. selbst mit einem Lexikon zu lesen gern bereit wäre, wenn ein solches nur vorhanden wäre, das er brauchen könnte. Ein vorzüglicher Fehler der neueren Ausdrücke ist ihre Unbestimmtheit; so z. B. heisst Tinte „Färbe-Schwarz.“ Wer wird nun denken, dass dies immer nur Tinte ist. Eine solche Sprache soll nun plötzlich als „Amtssprache“ eingeführt werden; alle Dokumente müssen in ihr geschrieben sein, also auch die kaufmännischen Handbücher, die vor Gerichten als solche gelten müssen; selbst Schneider- und Schuhmacher-Rechnungen, denn sonst sind sie ungültig, und der Betheiligte bezahlt nichts. Welch eine Sprache wird das werden! Wie werden die armen Gerichtspersonen sich abmartern müssen, um Dinge zu bezeichnen, für die das Magyarische nun ein Mal noch keinen Ausdruck hat. Das Schellersche: „fistula ignifera, nomen gerens flinte“ wird gegen die nun sich ergebenden sinnreichen Erfindungen noch ein klassischer Ausdruck sein. Von den Künsten, der Industrie und den Gewerben, mit denen sich die Magyaren bekanntlich gar nicht beschäftigen, schweigen wir.

 §. 3. Die erste Pflicht des Gesetzgebers ist, keine Gesetze zu geben, deren Ausführung unmöglich ist. Ungarn hat nicht viel Lehranstalten; trotz dem würde sich aber wohl kaum für eine oder ein Paar solche die nöthige Anzahl Lehrer finden, welche der magyarischen Sprache so mächtig und gewandt wären, dass sie mit Nutzen und eindringender Kraft in derselben lehren könnten. Und wie wird’s in den noch zu errichtenden Gewerbe- und polytechnischen Schulen? Wie in den Handelsschulen?

 Die beiden §. 2. und 3. sind abermals ein Beweis der Eitelkeit der Herren Gesetzgeber, welche die Mangelhaftigkeit ihrer Sprache gar nicht ahnen, obgleich sie ihnen ihre eigenen Landsleute wiederholt entgegen halten, welche den Fonds der wissenschaftlichen Bildung, die in ihrer Nation vorhanden ist und sich im Ganzen vielleicht auf ein Tausend Köpfe vertheilt, dermassen überschätzen, dass ihnen selbst das Unmögliche eine Kleinigkeit dünkt. Wie sehr man überdies besonders in diesen beiden Paragraphen von der beliebten Behauptung, die todte lateinische Sprache mit der magyarischen vertauschen zu wollen, abweicht, werden wir später darthun.

 Den Glanzpunkt erlangt die Eitelkeit im §. 4. „Ueberall die ungarischen Wappen und Farben!“ „Ungarische Handelsschiffe“ sind wahrscheinlich diejenigen, zu denen noch das Bauholz im Walde steht. „Ungarische Häfen“ vielleicht am Plattensee? Denn Fiume und Triest sind unseres Wissens auf dem Littorale und von Ungarn durch das slawische Kroatien getrennt, das wieder ein Königreich für sich bildet, nur im Verbande mit Ungarn. Das Bezeichnen der

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/339&oldid=- (Version vom 22.3.2020)