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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

er schwört, er stehe von jetzt an mit seinem Leben für Eure Sicherheit. Und für alles dies verlangt er nichts als einen Abschiedsschuss, das kriegerische Zeichen, dass der Gast mit seinem Wirthe zufrieden war. — Die barbarische Gewohnheit, die feindlichen Köpfe auf Spiesse zu pfählen, besteht bei den Cernogorcen bis zur Stunde und die Wojewoden belohnen ihren Junaken (Helden) jeden Türkenkopf mit einer Auszeichnung. Alte Volksgesänge erwähnen öfters die Czelenken, silbernerne Federn auf der Mütze des Kriegers, deren Zahl die Zahl der von ihm erschlagenen Feinde anzeigt. Noch vor 4 Jahren, während des Krieges gegen Oestreich, pflanzten die Cernogorcen die Köpfe der Deutschen in Cetinje auf Pfählen auf.

 Der Slawe von Montenegro ist ein eben so geschickter Diplomat als unerschrockener Krieger. Man muss ihn sehen, wenn er in einer albanesischen oder bosnjakischen Hane (Hütte?) am Abend nach einer Czeta, seine Brüder-Rajas von der Nothwendigkeit eines Bündnisses mit seinem heiligen Vladika (Bischof) unterhält. Honigsüss in seinen Worten, verführerisch wie ein Weib, würdevoll und sich selbst verleugnend wie ein Märtyrer, spricht er wie ein Prophet. Im Grunde ist der Cernogorce äusserst gutmüthig, sein Humor, mit dem er alle pikanten Bemerkungen seiner Nachbarn erträgt, ist bewundernswürdig; ohne sich zu ärgern, setzt er den beissenden Spöttereien ein resignirtes Stillschweigen oder gewandten Witz entgegen. Man rühmt seine Geschicklichkeit bei industriellen Verhandlungen. Im Besitze der Mündung von Cataro würde sein Handel ohne Zweifel blühend werden, statt dass sie jetzt nur auf den Krieg beschränkt sind. Unter den Streitern gibt es bereits eine Menge Ackersleute. Mitten in diesen steinreichen, mit Menschenknochen besäeten Wüsten gibt es mehr als eine lachende Oase. Entdeckt der Cernogorce auf einem Felsen guten Boden, so bauet und pflegt er diesen. Es ist wahr, dieses Volk treibt keine mechanische Profession; wenn es sich seine Küchengeräthe, hölzerne Pfeifen, Tabaksdosen und Anderes von der zierlichsten Arbeit fertigt, so geschieht dies blos des Vergnügens, nicht des Gewinnes wegen. Die Cernogorcen lieben die Jagd, den Fischfang und hängen leidenschaftlich an ihrem vaterländischen Boden, den sie mit seinen dürren Felsen für den schönsten Strich auf Erden halten.

 Ihre Sitten gleichen mehrfach den Sitten der Ritterzeit. Als der venetianische Kommissar Bolizza diese Krieger besuchte (1614), bedienten sie sich noch der Schilde und Lanzen: ihre Lieblingsübungen waren das Lanzenstechen (gleich unsern Turniren), sowie das Dscheridwerfen, wo man sich zu Pferde mit dem Wurfspiess angreift. Noch jetzt ähneln ihre Flinten, Pistolen und Dolche denen der alten Ritter in unsern Arsenalen. Die Aehnlichkeit ihrer Lage mit der der kastilianischen Bergbewohner im Kriege gegen die Mauren, musste ihnen mehrere Züge des spanischen Charakters aneignen. Sie erstreckte sich sogar bis auf die Kleidung; eine weite Struka (ein Tuchmantel über der Schulter), eine Opanka (elastische und leichte Sandalen), eine Blouse von weisser Wolle, die Hals und Brust nackt lässt und die kurze orientalische Hose bedeckt; ein rother Fess mit einem dicken Tuch umwunden, das den Turban vertritt und eine stets kräftige, oft wirklich schöne Physiognomie umhüllt, als Kopfputz — dies ist das Kostüm des Cernogorcen, des griechisch-slawischen Ritters.

 Wie leicht könnte Cernagora, wenn es erst einen Meerbusen erwirbt und die Albanesen der serbischen Nation gewinnt, einer der wichtigsten politischen Punkte der grossen Halbinsel werden! Zwei sehr verschiedene Wege führen den Wanderer nach Montenegro, der eine westlich von Kataro her, der andere östlich von Novi-Pazar. Jener zeigt uns eine Wüste von Abgründen durchschnitten, der andere führt uns durch reizende Landschaften, durch Thäler von Bächen durchflossen und Wälder. Furchtlos kann man in dem Lande hin- und herreisen, nur muss man einen Eingebornen oder wenigstens eine Frau zur Seite haben. So hatte vor einigen Jahren der Herr Stieglitz, der Verfasser einer deutschen

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/344&oldid=- (Version vom 26.3.2020)