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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

alte Quelle Nachricht. Die neueren Schriftsteller nehmen meistentheils Bog, Boh an, weil dieser Ausdruck unter allen slawischen Stämmen, wenig nach der Mundart verändert, das höchste Wesen bezeichnet. Und in der That, es gibt wenig Ausdrücke der Sprache, welche so zahlreiche Sprossen haben, als eben Boh oder Bog. Unter diesen Sprossen gibt es auch viele, welche bedeutsam auf die frühere Wichtigkeit dieses Wortes schliessen lassen. So gehört in diese Wörterfamilie der Ausdruck: Zbożie für Getraide und alle verkäuflichen Waaren; Bożi dar: Gottes Gabe für Brod; Bohatyr, Bogatyr: starker Mann, Held; Bohastwo: Reichtum; Bohač oder Bohaty: der Reiche, welche letzteren Ausdrücke sehr wohl zu Helmold’s Worten: „illum praepotentem“ passen, da Reichtum und Macht sehr nahe verwandt sind, gerade wie Macht und Heldenmuth, worauf das Wort Bohatyr, Bogatyr hinweist. Nicht minder bedeutsam ist, dass so viele Krankheiten mit Bog zusammengesetzt erscheinen, als: Boża ruka, wörtlich Gottes Hand, der Nervenschlag; Boża rana, eigentlich Gottes Wunde, oder Schlag, die Seuche; Bożi bič, d. h. Gottes Geissel, oder Boża moc (Gottes Macht) die Fallsucht, Bogine die Blattern. Eben so gibt es sehr viele Pflanzennamen, die mit bog zusammengesetzt sind und die daher unstreitig eine Bedeutsamkeit gehabt haben. Ferner sind Ausdrücke wie Ubohi, Ubożatko, wörtlich die bei Gott Seienden, Kranke, Schwache bezeichnend, gewiss früher von tieferem Sinne gewesen, indem sie die überall wiederkehrende Ansicht der Völker aussprechen, dass die körperlich Vernachlässigten besonders von den höheren Mächten begünstigt sind. Dasselbe bezeichnet Nebożticki, Uż je bożi, was man von Todten, Schlafenden und überhaupt Bewustlosen braucht, und welches ursprünglich heisst: er gehört schon Gott an. Zu merken ist endlich noch Bog als Flussname. Bei dem allen aber ist es immerhin auffallend, dass so wenige der wahrhaft beglaubigten Götternamen selbst mit Bog zusammengesetzt sind. Diese haben nämlich entweder eigenthümliche Namen, oder sie sind mit bog oder wit zusammengesetzt. Mit bog weiss ich nur von den beglaubigten, das heisst von solchen, die bei gleichzeitigen, oder mindestens noch mit lebendigen, selbstbewussten Resten des Heidenthums zusammenlebenden Schriftstellern genannten, folgende Namen: Černobog, Daschbog, Stribog, Poswist, und ein einziges Mal in einer germanischen Quelle Suantobuc für das gewöhnliche Suantowit. Ausser dem Černobog, den Helmold nennt, werden die anderen nur von russischen Quellen namhaft gemacht. Mit wit dagegen sind mehrere zusammengesetzt, und zwar: Berowit, Porewit, Rugiaewit, Swatowit, Witelubbe, und, wieder auffallend, sämmtlich den germanischen Quellen entnommen. Bei dieser Aufzählung sind übrigens absichtlich vorerst lettische, preussische, samogitische Namen gänzlich übergangen. In eigenthümlicher Form endlich finden sich folgende Namen: Siwa (Żywie), Porenut, Pizamar, Triglawa, Zuarasici, Saturnus, Radigast, Gudracco, Podaga, Prono, aus germanischen und Perun, Wolos, Wichor, Lado, Lel, Polel, Lada, Uslad (Oslad), Chorscha (Chars). Simargl und Makosch (Mokesch) aus russischen Qellen. Man sieht, die wenigsten Zusammensetzungen gibt bog, die meisten Götternamen sind eigenthümlich gebildet und zwischen beiden stehen die mit wit geformten. Ueber die Bedeutung dieser Sylbe ist viel gestritten und die Erklärung schwankt noch. Einige leiten dieselbe von вижу, ich sehe, ab, allein gewiss nicht richtig, während Andere sie mit witeż, Sieger, zusammenstellen und dann alle anderen Worttheile adjektivisch erklären, z. B. Swato-wit, heiliger Sieger u. s. w. Allein auch diese Erklärung genügt nicht, und deshalb gilt der Versuch einer dritten, welche mindestens eine Stelle des Helmold für sich anführen darf. Dieser sagt nämlich am Schlusse seines Berichts über den deus deorum von den übrigen Göttern: hos vero, distributis officiis obsequentes, de sanguine eius processisse et unumquemque eo praestantiorem, quo proximiorem illi deo deorum. Es muss also doch dem deo deorum näher und entfernter stehende gegeben haben, und wohl auch ein Erkennungszeichen solcher dagewesen sein. Wie nun, wenn dieses die Sylbe wit wäre? Bekanntlich

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/353&oldid=- (Version vom 5.4.2020)