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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

der Erschlaffung des Armes, der mit gekrümmter Hand ununterbrochen rechts und links die Summen einstreicht.“ Je vollendeter aber diese Schilderung ist, um so mehr muss uns die einseitige und willkührlich entstellte Beschreibung von Paris empören, welcher der Verf. einen sehr langweiligen Brief widmet. Fern sei es von uns, die Verkehrtheiten, die Hohlheiten, die Aufschneiderei, die schrankenlose Genusssucht eines grossen Theils der bärtigen und die Sittenlosigkeit, den Aufwand und die Schamlosigkeit einer grossen Zahl der unbärtigen emancipirten Kinder von Paris in Schutz zu nehmen. Allein wenn Grösse ohne Moralität gar nicht gedacht werden kann, folgt ja daraus noch nicht, dass weil in Paris nicht Alles moralisch ist, Alles klein und elendiglich sein müsse. Und darum ist die Beschreibung des Verf. unnatürlich, überspannt, ungerecht, excentrisch, das Meiste bis auf die äusserste Spitze getrieben. In allen freieren Staatsverfassungen und den daraus folgenden Institutionen sieht der Verf. nur Ausgeburten der menschlichen Unbündigkeit; jede Oeffentlichkeit ist ihm ein Gräuel. Zwar sagt der Verf. am Ende seines Buches in einer Zuschrift ausdrücklich, er habe seine guten Gründe gehabt, warum er Paris von dieser einzigen und seiner schwärzesten Seite aufgefasst habe. Allein abgesehen davon, dass der Wahrheit die Ehre gebühre, gibt er die Gründe nicht an und überlässt es somit dem Leser, sie zu suchen. Und da sind wir nicht im Stande, sie wo anders zu finden, als in der geistigen Beschaffenheit des Verfassers selbst. Uns dünkt sein ganzes Buch eingegeben von einem poetischen, frommen und schwärmerischen Gemüthe, welches das Treiben der gewöhnlichen Menschenkinder anekelt und das sich aus diesem Dunste nach frischer Luft sehnt, nach einer rauschenden Quelle, nach einem blumigen Plätzchen, um sich süssen Träumereien hinzugeben und Schäferliedlein von Ruhe und Glück im kühligen Waldschatten zu dichten; oder gar nach einer stillen, einsamen Zelle, um, ungestört durch irdisches Treiben, die Hoheit der Natur zu bewundern, die Allmacht Gottes anzubeten und mit gehöriger Zerknirschung über die Sünden der Sterblichen bittere Klag- und Trauerlieder anzustimmen. Angenehm ist ein solcher Zustand und reizend die Produkte einer solchen Seele, wenn sie sich in schmachtenden Liedern ergiesst. Allein nimmer vermag sie den Pflichten eines vollendeten Reisebeschreibers zu genügen, nimmer die Forderungen zu erfüllen, welche die Nation an ihre leitenden Schriftsteller thut; es muss die ungebeugte Kraft sie beherrschen und das Bewusstsein, dass der Kampf gelinge, den der Geist gegen die Materie kämpft. Nur was die Begeisterung mit der Kraft vereint und beider scharf erkanntem Ziel und Endzweck unverrückt uns entgegen führt, dem folgen wir.

B. H.


 Bibliotheka: Bibliothek des wissenschaftlichen Ossolinskischen Institutes in Lemberg. Als Fortsetzung der wissenschaftlichen Zeitschrift desselben. Jahrgang 1842. 4 Bände. 232, 166, 221 und 174 S. Nebst 48 S. Beschreibungen alter Dokumente. Das ossolinskische Institut gab bekanntlich in den Jahren 1828—1834 eine wissenschaftliche Zeitschrift heraus, welche sich einer allseitigen Theilnahme erfreute, aber in der letzten Zeit der Erwartung, die man sich von derselben gemacht, wenig entsprach. Am Schlusse dieser Periode war das Institut selbst durch mannichfaltiges Missgeschick in seiner Thätigkeit für die Wissenschaft gelähmt worden, Unordnung hatte sich in alle Verwaltung desselben eingeschlichen, sein Bibliothekar war sogar wegen politischer Verbindungen entfernt worden. In diesem Zustande erhielt es vor ungefähr zehn Jahren der jetzige stellvertretende Kurator desselben, der Herr Ritter von Pawlikowski. Die eingerissene Unordnung wieder herzustellen, war die erste Bedingung zu jeder weiteren Thätigkeit. Unter den verworrensten Arbeiten und bei dem Mangel an Fonds[WS 1], indem auf dem Institute eine Schuldenlast von einigen 20,000 Fl. C. M. lastete,

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/365&oldid=- (Version vom 14.2.2021)