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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang


 „Ach meine lieben, allerliebsten Täubchen! Nicht wahr, der Traum ward nicht ausgeträumt? Gewiss also sehr bald, sehr bald, ihr werdet gar nicht merken, wie die Swjatki vorübergehen; werdet nicht merken, wie die Freiwerberinnen kommen; werdet nicht merken, wie die Contrakte abgefasst und deponirt werden; ihr werdet es kaum fühlen, wie man sich den Handschlag giebt und sich hinter den Eichentisch setzt; werdet es beinahe gar nicht sehen, wie man die Kränzlein aufsetzt und nur eines werden alle bemerken: die Pracht und Schönheit der glänzenden Braut beim fürstlichen Mahle, den Preis und Ruhm des glänzen den Bräutigams beim lauten Hochzeitfeste. – Seht, so bald wird es sein und nicht später.“

 „Ei, Du redest immer so, Iwanowna; mein Traum hat ganz und gar diese Bedeutung nicht, ich glaube Dir gewiss nicht.“

 „Wisse, Agrafjena Fedosjejewna, diesen Frühling noch wirst Du Braut; wisse, die Erwählten haben längst schon die Inventarien durchgesehen und die Contrakte besprochen!“

 „Was machst Du denn, Iwanowna?“ lispelt die Hausfrau der Alten in’s Ohr: „Bringe Fedosij Iwanowitsches Angelegenheiten nicht in Ruf. Vielleicht geht noch die ganze Sache auseinander!“

 „Ach, was ich weiss, das weiss ich, und Geheimnisse habe ich noch nie ausgeplaudert. Wir haben Hochzeit: . . .

 Wie ein Zobel ist Agrafjenchen durch alle Wälder gegangen;

 und hat die Wälder bedeckt, die Wälder bedeckt

 mit dem schwarzen Sammt,

 und auf dem Wege gekollert, dem Wege gekollert,

 mit dem gold’nen Ringlein.“

 „Ja, ja, so wird sie singen, Iwanowna, Du hast Recht. – Nun aber müssen die Mädchen aufstehen, ’s ist hohe Zeit, der Wzwarjec ist beinahe schon kalt geworden!“

 Nun standen die Mädchen auf, zogen sich an und tranken den Wzwarjec. Eine Einladerin ging nun im Namen des gastlichen Hauses herum, die lieben Mütter zu bitten, sie möchten kommen und sehen, wie sich ihre allerliebsten Töchter unterhielten; die lieben Väterchen einzuladen, den Abend einige Stunden bei ihnen zu sitzen, die Grossmütter, die Tanten, die Gevatterinnen, die Kindsfrauen, die ganze Dienerschaft des Hauses zu Gaste zu bitten. Bei einer Schale Weins plauderte die Einladerin leicht aus, was für Erwählte eingeladen seien, vergass aber niemals, an den Herrn und die Frau vom Hause die Frage zu stellen, mit wem sie auf das Fest zu kommen gesonnen seien? Für jede Nachricht, die sie gab, belohnte man sie mit einem kleinen Geschenke an Geld oder an Näschereien, Backwerk und dergl. mehr. Kaum war die Einladerin aus der Stube, so eilten alsbald die Kindsfrauen mit grossen Bündeln von Backwerk und Näschereien in das gastliche Haus, um nachzusehen, „ob ihr Töchterchen schon angezogen, ob sie lustig und heiter sei, nicht etwa Langeweile habe, ob sie nichts brauche?“ Ueberdiess bekamen sie den Befehl, ihr heimlich zu sagen, mit welchem Erwählten sie freundlicher thun solle und unter der Hand auszuforschen, was für Erwählte sie bei den Spielen geleitet und unterhalten hätten.

 Die Kindsfrauen wurden immer sehr liebreich aufgenommen. Anfangs ärgerte sich die Hausfrau: „Wozu sie nur das Backwerk mitgebracht hätte!?“ Die Kindsfrau aber bat, die Sachen doch anzunehmen und den Mädchen mit den Näschereien eine Freude zu machen. Die Hausfrau meinte darauf, in ihrem Hause seien die Gäste immer fröhlich und hätten stets zur Gnüge. Alsbald kamen auch die Mädchen selbst hinzu, stellten sich rings um die Angekommene und fragten, was ihre Eltern, Verwandten und Bekannten machten. Die Alte erzählte nun „von der Angst und Unruhe der Mutter, der kummervollen Besorgniss des Vaters, der Langeweile des Bruders.“ Nicht selten geschah es wohl, dass die Mädchen weinten bei diesen Erzählungen und dann nur erst wieder heiter und guter Dinge werden wollten, Wenn die Podrużenki alle ihre Kräfte aufboten, sie zu trösten. Kindsfrauen,

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/39&oldid=- (Version vom 14.9.2022)