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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

 Dass an der einfachen und klaren Darlegung des Gegenstandes bei dem Volke Alles ankommt, davon muss sich jeder Erfahrene überzeugen, wenn er sieht, wie jede, auch die beste und nützlichste Verordnung von oben herab, bei dem Volke nur wegen der Furcht, es könnte ihm dadurch irgend ein Schaden oder Abbruch erstehen, vielfachen Widerstand findet, welchen der Beamte jederzeit nur dadurch im Stande ist zu beseitigen, dass er den Gegenstand von allen Seiten untersucht, erklärt und den Interessenten darstellt. Zu allen dem aber bedarf er eine vollkommene und gründliche Kenntniss der Sprache, will er nicht anders durch die Mangelhaftigkeit und Ungeschicklichkeit seines Sprechens das erwünschte Ziel sich unerreichbar machen. Eine solche Gründlichkeit aber lässt sich keineswegs, wie man hie und da meint, durch einen einzigen Jahrgang des Unterrichts an der Universität erwerben, wo überdies unsere studirende Jugend durch andere, wichtige Lehrgegenstände ganz in Anspruch genommen, auf das Böhmische gewöhnlich nur die allergeringste Mühe verwendet und darum mehr deshalb die böhmischen Vorträge besucht, um das nothwendige Attestat darüber zu bekommen, als um die Sprache gründlich zu erlernen. Dadurch nur geschieht es, dass gar Mancher, wenn er auch dieses Zeugniss in der Hand hat und in den anderen nützlichen Kenntnissen hinlänglich ausgebildet ist, doch hinsichtlich der böhmischen Sprache ein unreifes Kind bleibt, welches bei seinem gelehrten Berufe nicht gelernt hat, böhmisch zu denken und zu sprechen und nur die Sprache zum Entsetzen radebrecht und misshandelt, und fremde, unböhmische Wörter und ganze Sätze in seine Rede hineinmischt, welche weder das Volk noch selbst der Gelehrte zu verstehen im Stande ist.

 Dass durch diese unkluge, unvernünftige und leider alltäglich zunehmende Handlungsweise der Beamte bei dem Volke selbst das nöthige Zutrauen und Ansehen weder für seine Person noch für die höheren Befehle zu verschaffen, und darum, wie es doch leicht bei einer besseren Unterrichtsweise möglich wäre, seine eigene Würde und die der Behörden geltend zu machen keineswegs im Stande ist, ist an sich klar.

 Dagegen wäre der Vortheil, der aus der oben angegebenen Lehrweise flösse, etwa folgender. Unsere Schüler würden bei ihrem Austritt aus den lateinischen Schulen nicht allein einen hinlänglichen Vorrath von Wörtern und die vollständige Kenntniss der böhmischen Grammatik und Orthographie, sondern auch des böhmischen Volksgeistes in den Wirkungskreis ihres künftigen Berufs mit hinübernehmen. Die Uebrigen aber, welche die Universität besuchen, würden bei ihrer bedeutenden Kenntniss der vaterländischen Sprache dann mit desto grösserem Erfolge sich im Lesen, Schreiben und Sprechen derselben üben, sich kräftigen und für die Zukunft vorbereiten können, so dass der Universitätsprofessor der böhmischen Sprache, nicht genöthigt, durch eine trockene Darstellung der sprachlichen Regeln die theure Zeit zu verschwenden, einen viel höheren Beruf, eine viel erhabenere Bestimmung finden würde: seinen Zuhörern die grossen Veränderungen, welche in der böhmischen Sprache im Verlaufe der Zeit stattgefunden, gründlich darzulegen und zu erklären. Ausserdem erscheint es ebenfalls nützlich und unumgänglich nothwendig, dass den Studirenden der Theologie und des Rechtes, welche mit dem Volke am meisten zu verkehren haben, auch solche Gegenstände zur mündlichen und schriftlichen Bearbeitung vorgelegt würden, welche zugleich auf ihren Beruf in der Zukunft hinzielten; dass sie z. B. ganze Anreden an das Volk bei verschiedenen Anlässen, Erklärungen gewisser Landesgesetze u. s. w. in dem Tone und ganz in der Weise zu halten angeleitet würden, wie sie sie dem Volke vorzutragen später gezwungen sein werden; denn gerade diese reine Einfachheit der böhmischen Sprache (elegantia simplicissima), welche man so ausserordentlich selten bei unseren Beamten und Juristen findet, müsste auf der Universität ein Hauptgegenstand des Unterrichts sein, an welchem Jeder, der zu seiner Zeit auf ein Amt Anspruch machen wollte, desto mehr sich betheiligen

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/393&oldid=- (Version vom 14.2.2021)